Essen-Rüttenscheid. . Am Rüttenscheider Stern wurde am Donnerstag der offene Bücherschrank enthüllt. „Dieser Ort wird sich verändern“, prophezeite Architekt Hans-Jürgen Greve, für den die Schränke die Funktion eines Marktbrunnens einnehmen, an dem man sich trifft.

Wie ausgerechnet die Dieter-Bohlen-Biografie „Unter den Kulissen“ zwischen dicke Schmöker, Kinderliteratur, Reisebücher und kleine feine Poesie-Bände gerutscht ist, kann sich Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), am Donnerstag auch nicht erklären: „Wir sind eben ein bunter Stadtteil und offen für alles“, sagt er und lacht. Vor allem sind die Menschen entlang der Rü offen für Kultur: Die ist mit der Enthüllung des offenen Bücherschranks am Rüttenscheider Stern nun um eine Attraktion reicher.

„Wir wollen Werbung fürs Lesen machen – und auch ermutigen, mal ein Buch zur Hand zu nehmen, das man sich nicht unbedingt kaufen würde“, sagte Krane gestern bei der Enthüllung. Neben der IGR steht auch das Bürgerzentrum Villa Rü Pate für den Schrank. Dort werden schon seit einigen Jahren fleißig Bücher getauscht, „natürlich beteiligen wir uns gern an diesem Projekt“, so Werner Settels von der Villa Rü. Darüber hinaus begrüßen auch weitere Bücher-Experten aus dem Stadtteil den neuen Schrank, der jedem Bürger zu jeder Zeit offen steht. „Wir werden uns sicherlich auch beteiligen“, kündigte etwa Angela Reckzeh von der katholischen Bücherei St. Ludgerus und Martin an.

Platz für 250 Bücher

Das Prinzip, seine Lesefreude mit anderen zu teilen, Bücher zu tauschen oder einfach auszuleihen, kommt bei Bücherwürmern bereits an mehreren Stellen in der Stadt gut an: Der wohl bekannteste Schrank, gespendet von der Mercator-Stiftung, steht vor dem Grillo-Theater. Dort kümmert sich mittlerweile eine eingefleischte Fangemeinde um „Literaturfutter“ – und achtet darauf, dass rund um den Schrank alles seine Ordnung hat. Das Projekt in Rüttenscheid ist bereits das dritte, das Energiekonzern RWE in Essen unterstützt, weitere Schränke finden sich vor der Konzernzentrale und am Ehrenzeller Platz in Altendorf.

„Dieser Ort wird sich verändern, das haben unsere Erfahrungen in der Vergangenheit gezeigt. Der Schrank übernimmt die Funktion eines Marktbrunnens. Die Menschen kommen hierher und tauschen sich aus“, hat Architekt Hans-Jürgen Greve beobachtet, der das 2,20 Meter hohe Stadtmobiliar aus Containerstahl entworfen hat. Greve nimmt die Angst vor Vandalismus – zum einen hafte die Graffitifarbe nicht an dem Material. Zudem sorge der Bücherschrank aber auch für eine gewisse soziale Kontrolle, wie etwa eine Studie der Uni Bonn zu dem Thema belegt.

Kooperationspartner ist auch das Kulturbüro der Stadt. Dessen Leiter, Bernd Mengede, freute sich gestern über „ein weiteres, niederschwelliges Angebot, das wir neben den Stadtteilbibliotheken anbieten können“. 250 Bücher haben in dem wetterfesten Möbel Platz; die IGR und die Villa Rü haben immer mal ein Auge auf die Regale. Grundsätzlich kann jeder mitmachen, der seine Bücher gern mit anderen teilt oder neugierig auf neue Literatur ist – selbst dann, wenn es die Biografie von Dieter Bohlen ist.