Essen. Zum zehnten Mal verwandelten die Anwohner ihre Josephinenstraße in Essen-Rüttenscheid in eine Spiel- und Feststraße. Die Nachbarn sind stolz auf ihr soziales Netzwerk. Angefangen hat das Miteinander in der Nachbarschaft mit einem ganz besonderen Konzert auf einem Balkon.

„Das wäre der perfekte Ort für eine Tormusik“, schwärmt Ina Gölzenleuchter irgendwann im Jahr 2003, als sie auf dem Balkon ihrer neuen Wohnung an der Josephinenstraße steht – überglücklich, dass sie mit Ehemann Stephan Struck unter vielen Anwärtern den Zuschlag für die hübsche Altbauwohnung unterm Dach bekommen hat. Beide sind freiberufliche Musiker: Er spielt Trompete, sie Posaune. „Da wir ja proben müssen zu Hause, wollten wir die Nachbarn direkt mit ins Boot holen, damit sich niemand beschwert“, erinnert sich Ina Gölzenleuchter.

Im darauf folgenden Advent hängt sie Flyer an den Straßenlaternen auf, lädt die Nachbarn zum weihnachtlichen Balkon-Konzert ein: Mit befreundeten Musikern wird ein kleines Blechbläser-Ensemble gegründet, zu jeder vollen Stunde erklingen Weihnachtslieder und immer mehr Menschen versammeln sich auf der Straße.

In den Pausen gab es Bratäpfel und Weihnachtsplätzchen

„Das kam einfach super an. Und in den Pausen wurden wir zu Bratäpfeln und Weihnachtsplätzchen in die Wohnung eingeladen, da waren wir bestimmt 50 Leute“, erinnert sich Vermieter Lorenz Pick, der eine Etage unter den Musikern wohnt. Aus einer Idee zum Kennenlernen wird schließlich eine kleine Tradition, die sich in der Straße herumspricht und immer beliebter wird.

„Schließlich wollten wir kein Jahr mehr warten und haben auch im Sommer ein Straßenfest auf die Beine gestellt“, sagt Birthe Frischer, die 1996 direkt gegenüber einzog. Was Ina Gölzenleuchter damals nicht ahnt: Sie hat nicht nur die Akzeptanz für gelegentliches Proben erreicht, sondern auch den Grundstein für mehr Miteinander in der Nachbarschaft gelegt. „Da gehören aber alle dazu“, sagt sie bescheiden, „bei den Festen hier packen alle an, da brauchen wir keine große Organisation. Jeder bringt sich nach seinen Fähigkeiten ein.“

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So wie vor einigen Jahren, als es in Strömen schüttete und das Fest ins Wasser zu fallen drohte: „Da hat ein Nachbar spontan sechs Pavillons aufgestellt. In Gummistiefeln haben wir da noch bis in den späten Abend gesessen“, erinnert sich Birthe Frischer.

Bierbänke aufgestellt, Wimpel aufgehängt, Spielteppiche ausgerollt

Auch Anfang September verwandelte sich die Josephinen- wieder in eine Spiel- und Feststraße, wurden Bierbänke aufgestellt, Wimpel aufgehängt, Spielteppiche ausgerollt: „Das war schon unser Zehnjähriges“, sagt Rolf Weidjes, der Mitte der 1990er-Jahre an die Josephinen­straße zog. „Man grüßt sich auf der Straße, das soziale Netzwerk ist besser geworden.“

Wegziehen? Das käme für keinen der vier Nachbarn in Frage, zu sehr schätzen sie die Nähe zur Rüttenscheider Straße und zum Stadtwald und nicht zuletzt das nette Miteinander. „Bei den Weihnachtskonzerten“, erzählt Lorenz Pick, „wird als letztes Lied immer der Schneewalzer gespielt und auf der Straße natürlich auch Walzer getanzt. Als es in einem Jahr wirklich begonnen hat zu schneien, war das einfach unvergesslich.“

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