Essen. . Grünen-Bürgermeister Rolf Fliß sitzt im Aufsichtsrat der Messe und ist gleichzeitig gegen die angestrebte Messe-Modernisierung in ihrer jetzigen Form. Er habe das Vorhaben von Anfang an kritisiert, beteuert er. Kritiker werfen ihm vor, sich in einer Grauzone zu bewegen.
Als Mitglied des Messe-Aufsichtsrats ist Rolf Fliß gesetzlich dem Wohl des Unternehmens verpflichtet, seine Kritiker werfen dem Bürgermeister von den Grünen vor, sich spätestens seit seinem Engagement für das Bürgerbegehren in einer Grauzone zu bewegen. Die umstrittenen Modernisierungspläne habe er lange im wesentlichen mitgetragen, um dann umzuschwenken. Sich selbst versteht der überzeugte Rüttenscheider als Messe-Kritiker, nicht als Gegner. Ein Gespräch.
Warum haben Sie im Aufsichtsrat der Messe nicht schon früher Ihr Veto gegen die Planung eingelegt?
Ich war auf der gesamten Strecke immer der Kritiker – schließlich ist es für mich die dritte Messe-Erweiterung seit Beginn meiner Tätigkeit im Aufsichtsrat. Schon im November 2011 haben wir uns für den Ersatz der alten Doppelstockhallen ausgesprochen. Von einem Abriss der erst 13 Jahre alten Galeria und einem unterirdischen Kongresszentrum war da nie die Rede.
Dennoch haben Sie aber letztlich dafür gestimmt.
Grundsätzlich habe ich für eine Modernisierung der Messe gestimmt, darin sind wir uns ja alle einig. Ich war aber von Anfang an für einen Neubau in mehreren Abschnitten. So würde es die Möglichkeit zum Ausstieg geben, wenn man merkt, dass das Geld nicht mehr reicht. Kurzum: In der jetzigen Form birgt die „Ganz oder Gar nicht“-Mentalität zu viele Risiken.
Eine stückchenweise Erneuerung beschere Ausstellern Probleme, sei technisch entweder nicht möglich oder viel teurer, sagt die Messe.
Es ist immer die Frage, wie man etwas vermarktet. Hätten wir schon in diesem Herbst häppchenweise mit Abriss und Neubau von West nach Ost begonnen, hätte das auch nach außen hin ein Signal des Aufbruchs senden können.
Wer jetzt von vorne anfangen will mit den Planungen, riskiert den Verlust von Zeit und den Verlust der nach dem Ratsbeschluss bereits ausgegebenen sieben Millionen Euro. Ist das verantwortbar?
Wir waren zu einem Kompromiss bereit, nachdem die erforderlichen Unterschriften beisammen waren. Nach einem Bürgerbegehren gibt es schließlich auch die Möglichkeit, zu Sondierungsgesprächen einzuladen und einen Kompromiss in einem städtebaulichen Vertrag festzuhalten. Das wäre mein erklärter Wunsch gewesen, hier hätte ich auch vom Oberbürgermeister die Einladung zu einem Moderationsprozess erwartet.
Dem Stadtkämmerer wird nachgesagt, die Pläne skeptisch zu sehen.
Für mich ist er ein klarer Kritiker, wenngleich er dabei nicht in der ersten Reihe steht. Auch von ihm würde ich mir erhoffen, dass er deutlicher wird, was das finanzielle Wagnis angeht. Die Haushaltslage wird auch in 2014 nicht entspannter und wir werden uns womöglich von einigen Einrichtungen trennen müssen. Ganz zu schweigen von schwelenden Sanierungsstaus wie im Grugabad, wo der Investitionsbedarf mittlerweile siebenstellig sein dürfte. Wir müssen uns schlicht fragen, was wir uns noch leisten können. Mir sind im Rathaus-Büro nun die Mittel für die Bewirtung mit Mineralwasser gestrichen worden.
Was erwarten Sie von dem Bürgerentscheid?
Wir sind der David beim Kampf gegen Goliath. Dass das funktionieren kann, hat der Bürgerentscheid gegen München als Olympiastandort gezeigt. Wenngleich wir kaum über Mittel für den Wahlkampf verfügen, im Gegensatz zu den Befürwortern. Die haben zum Beispiel den Hotel- und Gaststättenverband auf ihrer Seite.
Rüttenscheid profitiert von der Messe. Ist die Verzögerung der Modernisierung nicht schädlich?
Auch viele andere Unwägbarkeiten könnten dem Stadtteil schaden. Etwa die offene Frage, wie die Baustellenlogistik eigentlich ablaufen soll. Hier hat es seitens der Messe sogar ernsthafte Überlegungen gegeben, dafür die Norbertstraße zu sperren, was die Verwaltung aber wohl direkt abgelehnt hat. Mir ist nicht bekannt, wo die Baucontainer nun platziert werden sollen. Wohl kaum auf einen Messeparkplatz.
Gastronomie-, Hotel- und Taxigewerbe stehen eindeutig hinter den Befürwortern.
Ich habe teilweise andere Erfahrungen gemacht, wenn man erstmal mit den Menschen spricht. Etwa Kur vor Ort und die Gastronomie im Wassergarten: In den Kosten von 123 Millionen Euro für die Messe-Modernisierung ist kein Cent für eine Entschädigung bei Umsatzeinbußen eingerechnet. Und die wird es mit Sicherheit geben, wenn erst einmal die ersten Bagger anrücken.