Essen-Rüttenscheid. . Noch bis Samstag läuft im Studio F19 in Rüttenscheid eine Ausstellung zum Mauerfall. Peter Keup informiert als Zeitzeuge über die Monate in Stasi-Haft und die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Schicksals.

Wenn sich am Samstag der Mauerfall zum 24. Mal jährt, wird Peter Keup mit gemischten Gefühlen aufwachen. „Ich habe damals nicht gefeiert. Ich wusste nur, dass all die Menschen, die mir die Freiheit gestohlen und mich drangsaliert haben, jetzt wieder meine Mitbürger sind“, sagt der 55-Jährige, der die wissenschaftliche Aufarbeitung seines Schicksals zur Lebensaufgabe gemacht hat. Noch bis Samstag zeigt er im F19, dem Studio für Kultur an der Friederikenstraße, das er gemeinsam mit seinem Partner Harald Korff betreibt, eine Ausstellung zum Thema Mauerfall und steht als Zeitzeuge für Gespräche bereit.

Behandelt wie Kriminelle

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Sein Vater, dem die Nationalsozialisten Kindheit und Jugend raubten, ist überzeugter Kommunist. „Ihm gab die Vorstellung von einem Arbeiterstaat eine Perspektive. Deswegen zog er mit meiner Mutter von Essen nach Radebeul“, sagt Keup, der 1958 in der ehemaligen DDR zur Welt kommt. Gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern genießt er in der Kleinstadt bei Dresden eine „unbeschwerte Kindheit“, feiert Erfolge als Leichtathlet. Mit dem Ausreiseantrag, den seine Mutter 1975 stellt, verändert sich sein Leben schlagartig. „Sie sagte immer, das dürfe alles nicht sein. Der Rest unserer Familie wohnte in Essen und auch sie wollte zurück. Raus aus einem Staat, der uns einsperrt“, erinnert sich Keup.

Er ist gerade 16 Jahre alt und völlig unpolitisch, als er „Klassenfeind“ wird. Keup darf kein Abitur machen, Klassenkameraden wenden sich von ihm ab, er muss die Turnerei an den Nagel hängen. „Wir wurden behandelt wie Kriminelle“, sagt Keup, dem angeboten wurde, sich von einer anderen Familie adoptieren zu lassen. Dem Ausreiseantrag soll erst zehn Jahre später stattgegeben werden. Peter Keup reicht es schon vorher. 1981 will er fliehen, indem er durch die Donau schwimmt. Schon an der Grenze zur Tschechoslowakei wird er verhaftet, weil er nur ein Zugticket für die Hinfahrt hat.

„Politische Gefangene waren in der Hackordnung ganz unten“

Zwei schlaflose Tage Verhör folgen. Schließlich gibt er seine Fluchtpläne zu, wird in einen als Gemüsetransporter getarnten Gefangenen-Laster gesteckt und nach Dresden gebracht. Vier Monate verbringt er in U-Haft, wird schließlich zu zehn Monaten Freiheitsentzug verurteilt und in Cottbus inhaftiert. Zusammen mit „gewöhnlichen“ Kriminellen. Mördern. Dieben. Schlägern. „Die wurden besser behandelt als wir. Politische Gefangene waren in der Hackordnung ganz unten“, erinnert sich Keup schmerzlich.

Ein Unterbevollmächtigter des Rechtsanwalts Wolfgang Vogel, der für die DDR unzählige Deals zum Freikauf politischer Gefangener mit der Bundesrepublik aushandelte, ermöglicht ihm im April 1982 die Ausreise. Keups Freiheit kostet 40 000 Mark. „Während der Fahrt gen Westen sagte der Busfahrer irgendwann, jetzt würden wir keine gesiebte Luft mehr atmen. Es dauerte ein paar Minuten, dann begriffen wir, schrien und weinten“, blickt Keup zurück. Bei seinen Großeltern in Essen sei alles „viel bunter“ gewesen, „die Menschen aufgeschlossener“, schildert Keup seine ersten Eindrücke: „Ich hatte plötzlich das Gefühl, in einem Schwarz-Weiß-Film aufgewachsen zu sein.“