Essen-Rüttenscheid. . Die Rüttenscheider Hausbrauerei feiert am Samstag ihr 20-jähriges Bestehen. Gründer Volkmar Kampl unterstützt seine beiden Nachfolger, Farhad Tabrizi und Afshin Sadaghiani, bis heute tatkräftig. Dabei wollen die beiden „Neuen“ den frischen Wind auch nur in Maßen in die Braustube lassen.
Der intensive Duft von Hefe steigt in die Nase. Schaum und Maische bilden in dem riesigen Holzfass eine undefinierbare Masse. Nur mit viel Fantasie kann sich ein Laie vorstellen, dass dieses Gemisch in naher Zukunft mal als köstlicher Gerstensaft durch die Kehle rinnt. Volkmar Kampls geübter Blick duldet keine Zweifel: „Das wird gut“, sagt der Braumeister, der die Fässer kaum mehr zählen kann, die er in diesem Keller abgefüllt hat.
Heute auf den Tag genau ist es 20 Jahre her, dass er sich mit der Rüttenscheider Hausbrauerei einen Lebenstraum erfüllte. Sein Handwerk lernte der gebürtige Duisburger in der König-Brauerei in Beeck, später verschlug es ihn zu Veltins ins Sauerland. „Anfang der Achtziger entstand die Idee, im Kleinen mein eigenes Bier zu brauen“, erinnert sich der 61-Jährige. Die Umsetzung aber dauerte über zehn Jahre.
„Als Preuß’ dort Bier brauen? Da hätten wir keine Chance gehabt“
Schließlich ist das Inventar für eine eigene Brauerei teuer und auch die Standort-Frage zog sich. Obwohl seine Ehefrau Christine – ihr sympathischer Dialekt täuscht nicht – aus Freising stammt, war Bayern von Beginn an ausgeschlossen. „Als Preuß’ dort Bier brauen? Da hätten wir keine Chance gehabt“, sagt Kampl und lacht. Über einen Zufall erfahren sie damals vom Girardethaus – die Druckerei war 1988 in die Insolvenz gegangen. Viel Staub, Schweiß und Arbeit folgen – schließlich gilt es, einen betonlastigen, grauen Lagerkeller für Druckplatten in eine gemütliche Braustube zu verwandeln. Das Experiment glückt, die Rüttenscheider sind stolz auf ihr eigenes Bier – und die 25-köpfige Mannschaft aus Theken-, Küchen- und Service-Kräften hat gut zu tun.
Etwa zeitgleich machen auch Farhad Tabrizi und Afshin Sadaghiani ihr Ding: 1986 aus dem Iran nach Deutschland geflohen, machen sie in Essen ihr Abitur, freunden sich an, studieren – und verdienen sich in der Gastronomie etwas dazu. „Ich merkte schnell, dass das meine eigentliche Passion ist“, sagt Tabrizi, der seit 2005 die Gastronomie im Aalto-Theater führt.
Nur an einigen Stellen frischer Wind
„Wir wollten immer etwas Gemeinsames auf die Beine stellen, etwas Beständiges, keine schnelllebige Bar“, erinnert sich Afshin Sadaghiani. Im vergangenen Jahr schließlich – Kampl wollte mit 60 Jahren in den Ruhestand – bekommen sie vom Verkauf der Hausbrauerei Wind und greifen zu. Das Team wurde übernommen, die Speisekarte blieb weitgehend gleich – und auch das Bier wird weiterhin selbst gebraut. „Wir wollen nur an einigen Stellen frischen Wind reinbringen, führen etwa neue Biersorten ein, die jeweils zur Jahreszeit passen“, sagt Sadaghiani. Beim Brauen greift Volkmar Kampl seinen Nachfolgern bis heute unter die Arme. Ganz loslassen kann er immer noch nicht. Das funktioniert nur bei seinem neuen Hobby: dem Gleitschirmfliegen.
Zur Geburtstagsfeier am Samstag, 9. November, spielt ab 20 Uhr die Oldie- und Country-Band „Three Cents“; Eintritt frei.