Essen-Süd. . Entlang der Moltke- und Rellinghauser Straße schlossen in den vergangenen Monaten immer mehr Läden. Viele Händler beklagen horrende Mietpreise.

In der Wohnküche Kniftenschmiede gibt es keine Speisenkarten. Inhaberin Conny Niermann fragt nach, auf was ihre Gäste Hunger haben und prüft dann, wie das mit dem Inhalt ihres Kühlschranks vereinbar ist. Wie am heimischen Küchentisch kommt dann auch schon mal eine Pfanne mit speckgespicktem Rührei auf den Tisch, aus der sich jeder bedienen darf. Individualität, die stellvertretend für so viele inhabergeführte Geschäfte im Dunstkreis der Moltkestraße steht. „Uns geht es hier nicht um schnellen Profit, sondern darum, dass sich die Menschen wohlfühlen“, bringt Niermann es auf den Punkt.

Schade nur, dass sich damit nicht alle über Wasser halten können. In den vergangenen Monaten warfen zahlreiche Händler und Gastronomen das Handtuch, etliche Leerstände sind in dem Alternativ-Quartier zu beklagen. Horrende Mietpreise vermuten die einen als Ursache, eine zu geringe Kaufkraft die anderen. Bekanntester Ladenhüter im Immobilien-Portfolio ist seit anderthalb Jahren die ehemalige Schlecker-Filiale: exponierte Stelle, direkt an der Kreuzung Rellinghauser/Moltkestraße, und satte 261 Quadratmeter über zwei Etagen. Laut Real Estate Ruhrgebiet, die das Ladenlokal vermarktet, habe es bereits Interessenten gegeben, so Jessica Mühlenbeck: „Die Anlieferungsmöglichkeiten und die Parksituation sind allerdings schwierig.“

Mit dem Mietpreis sei man „deutlich“ heruntergegangen. Aussicht auf ein Ende des Leerstands gibt es bislang aber nicht.

Die Rellinghauser Straße hoch bis zum Bahnhof Süd hängen zahlreiche „Zu vermieten“-Schilder vor leer geräumten Schaufenstern. In der PS:Bar ging bereits im Sommer das letzte Bier über den Tresen. Direkt gegenüber blättert die Fassade der alten Krombacher-Kneipe ab, der Callshop und die Nähstube nebenan sind schon lange dicht. Auch an der Moltkestraße trüben einige Lücken das Bild. Die Mozart-Apotheke schloss im Frühjahr, der benachbarte Friseursalon schon vor zwei Jahren. „Es ist schade. Ideen gibt es in diesem Viertel schließlich genug“, sagt Amélie Bonnet, die mit Alexander Gribkov eine Maßschneiderei und ein Teegeschäft betreibt. Der Imbiss gegenüber habe nach langem Umbau im Juli eröffnet – nur, um wenige Tage später wieder zu schließen. „Einige Vermieter hier verlangen Wucherpreise. Wir sind hier nicht auf der Rüttenscheider Straße“, sagt Amélie Bonnet.

Mehr Augenmaß in der Mietpreisgestaltung fordert auch Anne Blank, vom Designladen „Zechengold“. „1200 Euro netto für 60 Quadratmeter – das funktioniert nicht. Erst recht nicht, wenn sich die Mieter an Fünf- oder gar Zehn-Jahres-Verträge binden müssen.“

Rajesh Kumar, der den Schreibwaren-Handel und die Deutsche Post-Filiale an der Moltkestraße betrieb, zog die Reißleine, als sein Vermieter die Miete um 400 Euro anheben wollte. Kommende Woche eröffnet er sein Geschäft neu an der Rellinghauser Straße 139 – und sorgt immerhin dort für einen Leerstand weniger.