Essen-Rüttenscheid. . Das Frauen-Wohnprojekt Beginenhof ist knapp sechs Jahre nach der Gründung längst eine feste Institution – in Rüttenscheid und darüber hinaus. Was den Frauen und der umliegenden Nachbarschaft noch fehlt, ist ein neuer und vor allem dauerhafter Café-Betreiber.
Neugierig lugten gestern Morgen einige Nachbarn ins Café des Beginenhofes, als Waltraud Pohlen das Licht anknipste: „Geht es bei euch endlich wieder los?“ wurde sie gefragt – und das nicht zum ersten Mal. „Seit Café und Restaurant um Pfingsten geschlossen wurden, fehlt hier einfach etwas – nicht nur unseren Frauen, sondern auch der Nachbarschaft. Wir wollen diese Lücke wieder schließen“, sagt Waltraud Pohlen.
Sie gehört zu den Gründerinnen des ungewöhnlichen Frauen-Wohnprojektes, das in diesem Jahr sein fünfjähriges Bestehen feierte. Ende 2007 zogen die ersten von heute rund 40 Frauen in das ehemalige Finanzamt Süd ein – und verwandelten den Backstein-Verwaltungsbau in ein buntes Wohn-Experiment, das gelungen zu sein scheint. „Wohnen allein genügt nicht. Wir alle haben Lust, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Vor allem aber geht es darum, nicht allein zu sein“, führt Ulrike Friebel aus, die ebenfalls zu den ersten Bewohnerinnen gehörte.
Interesse an alternativen Lebensformen wächst
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Von den 38 Wohnungen, darunter 14 für betreutes Wohnen, sind alle vermietet, das Interesse an alternativen Lebensformen „abseits von Reihenhaus und Seniorenheim“ sei groß, so Waltraud Pohlen: „Kommenden Samstag wird ein Beginenhof in Bochum eröffnet, auch in Köln soll es demnächst losgehen.“
20 Jahre reifte die Idee in Waltraud Pohlen, ehe mit dem Amt an der Goethestraße eine passende Immobilie frei wurde, die mittlerweile von der Allbau AG verwaltet wird. Dabei stammt der ursprüngliche Gedanke zum ungewöhnlichen Mehrgenerationenprojekt aus dem Mittelalter. In Beginenhöfen führten Frauen damals ein spirituelles Leben, ohne einer Ordensgemeinschaft beizutreten. Ganz ähnlich ist das auch heute noch – etwa bei der gemeinsamen Meditation im Raum der Stille, der ehemaligen Registratur des Finanzamts.
„Wir sind ein offenes Haus“
Ruhig ist es in dem V-förmigen Bau dennoch selten – zu begehrt ist etwa die ehemalige Finanzamt-Kantine. Heute findet sich dort ein Veranstaltungssaal, der rege für Workshops von Qigong bis Stimmbildung genutzt wird. Zudem haben sich Praxen und Therapeuten im Erdgeschoss niedergelassen: Darunter die Hebammen, die regelmäßig für eine Kinderwagen-Armada im Foyer sorgen.
„Anfangs waren wir nur wenige Frauen. Aber mir war klar, dass dieses Angebot auf fruchtbaren Boden fällt“, bilanziert Waltraud Pohlen heute. Ob sie sich vorstellen könnte, einen zweiten Beginenhof in Essen zu etablieren? „Das ist kein Wohnmodell, das man verordnen kann. Da müssen sich die richtigen Frauen finden, um es gemeinsam zu stemmen“, sagt Pohlen. Wohl aber ist es ihr Wunsch, Nachbarn und Institutionen noch stärker einzubeziehen. „Wir sind ein offenes Haus. Wer bei uns etwas auf die Beine stellen möchte, ist herzlich eingeladen, egal ob Mann oder Frau“, sagt sie. Das gilt auch für das Café, für das sich die Beginen ein integratives Konzept vorstellen könnten: „Wir wollen und können ja nicht in Konkurrenz zur Rüttenscheider Straße treten, vielmehr möchten wir hier wieder einen Mittelpunkt für uns und unsere Nachbarn schaffen“, sagt Pohlen.