Essen-Holsterhausen. . Christian Wegmann kauft und verkauft im „Platz.Hirsch“ am Gemarkenplatz Trödel und Antiquitäten. Dabei kann er seine Leidenschaft für Kitsch, Kunst und menschliche Geschichten ausleben. Für Second-Hand-Klamotten hat er jetzt einen zweiten Laden nebenan eröffnet.

Ein normaler Laden sieht definitiv anders aus: Wer ein Faible für schöne und schräge Dinge hat und dabei auch die Gratwanderung zwischen Kunst und Kitsch nicht scheut, ist bei Christian Wegmann am Gemarkenplatz genau richtig. Seit April kauft und verkauft der Mittdreißiger - „schreiben Sie 32, ich bin da eitel“ - auf knapp 300 Quadratmetern im „Platz.Hirsch“ Möbel, Lampen, Bilder, Wohnaccessoires und vieles mehr. Das Ladenlokal mit der 40-Meter-Schaufensterfront - vielen Holsterhausern noch als Fernsehgeschäft bekannt - hat Wegmann in diverse Wohn- und Essbereiche gegliedert. Man kann sich in jeder Sitzecke niederlassen und fühlt sich - je nach Gestaltung - ins letzte Jahrhundert oder in die schrillen 1970er-Jahre versetzt.

„Ich kann schöne Dinge einfach nicht wegwerfen. Mir ist wichtig, dass die Sachen neue Besitzer finden, die sie wertschätzen“, sagt der Ladenbesitzer, der sich für Omas geschliffene Hochzeitsvase genauso begeistern kann wie für das Hirschgeweih, von dem der Vorbesitzer noch genau weiß, wo er das Tier geschossen hat. Alles, was sich in seinem Laden befindet, stammt aus seinem eigenen Fundus, von Freunden, aus Haushaltsauflösungen, die Wegmann selbst vornimmt oder von Kunden, die ihm ihre Sachen auf Kommissionsbasis überlassen. Drei Monate versucht er letztgenannte Dinge dann zum bestmöglichen Preis zu verkaufen. „Schon im eigenen Interesse, denn 40 Prozent des Erlöses sind ja mein Verdienst“, erklärt er seine Geschäftsidee.

Wegmann lebt auf der Margarethenhöhe. „Ich habe schon als Vierjähriger Sachen meiner Eltern, ohne ihr Wissen und wohl leider auch gegen ihren Willen, auf einer Decke sitzend verkauft“, erinnert sich Christian Wegmann an die Anfänge seiner Leidenschaft.

Bis er die jedoch jetzt zum (Traum-)Beruf machte, war es noch ein weiter Weg. Eine Lehre zum Industrie-Kaufmann, ein abgeschlossenes Betriebswirtschafts- und ein abgebrochenes Medizinstudium, ein kurzer Ausflug in die Modebranche in Form eines Jobs bei Hugo Boss in Australien – der Lebenslauf des Ladenbesitzers liest sich abwechslungsreich. „Alles, was ich vorher gemacht habe, hat mich nicht befriedigt. Ich war irgendwie nicht glücklich. Das ist jetzt anders“, sagt Wegmann.

Anfang des Jahres wollte er einen Ebay-Shop aufmachen und Trödel übers Internet verkaufen. Bei der Suche nach Lagerräumen für die Möbel fand er das riesige, seit Jahren leer stehende Ladenlokal am Gemarkenplatz – und verliebte sich. Er mietete die Räume an, in denen er die Kunden auf eine Zeitreise schickt. Und merkte schon bald, dass er noch mehr Platz braucht . . .

Auf der Suche nach alten Schätzchen fand Christian Wegmann auch immer wieder Kleidung, Schuhe, Schmuck und Accessoires mit Geschichte: das Cocktail-Kleid vom ersten Rendevous in den 1950ern, die Perlenkette von der Großmutter, den teuren Designer-Mantel, der nicht mehr passt. „Irgendwie passte das nicht in den ,Platz.Hirsch’“, war Wegmann schnell klar. Als dann das Ladenlokal direkt nebenan frei wurde, griff er zu. „Reh.belle“, ein Laden im Stil der 1960er-Jahre, ist seit wenigen Tagen Fundgrube für alle Fans von Mode mit Geschichte. Dort hängt zum Beispiel ein schickes Chiffon-Kleid mit passendem Mantel, das die spätere Lichtburg-Chefin Marianne Menze bei einer Filmpremiere in den 1970ern trug, wie Wegmann erzählt.

„Ich finde es toll, wie sich die Gemarkenstraße entwickelt. Hier wohnen viele junge Leute, es gibt immer mehr witzige Läden“, freut sich Wegmann, die beiden Ladenlokale gefunden zu haben. Und die Ideen gehen ihm nicht aus: Gern würde er im „Platz.Hirsch“ ein kleines Vintage-Café einrichten, in dem man von Omas Porzellan Frankfurter Kranz essen könnte. Bis das spruchreif wird, kümmert sich Wegmann lieber darum, Kundenwünsche zu erfüllen: „Auch wenn es unbedingt eine Kinder-Dröppelminna aus dem 19. Jahrhundert sein soll.“