Essen. Die Organisatoren des ersten Rüttenscheider Oktoberfestes halten sich kulinarisch an die Tradition. Musikalisch sind sie eher experimentierfreudig.

Die Krachlederne sitzt, die Trachtenstrümpfe sind hoch gezogen, die eigens in München in Auftrag gegebene Weißwurst wurde einem knallharten Geschmackstest unterzogen. Das Doppelgespann samt Kaltblüter und Blaskapelle zum standesgemäßen Einzug ist schon gebucht: Werner Rzepucha und Ted Terdisch, Veranstalter des ersten Rüttenscheider Oktoberfestes, überlassen nichts dem Zufall, um eine zünftige Wies’n auf die Beine zu stellen.

Ihr Vorhaben ist ambitioniert: 3500 Besucher passen in das riesige Festzelt, das vom 2. bis 13. Oktober auf dem Messeparkplatz unterhalb des Girardet-Hauses aufgestellt wird. Mit dem bisherigen Reservierungsstand sind die beiden Gastronomen zufrieden. Für den Eröffnungstag und die Samstage sind die VIP-Boxen nahezu ausgebucht, vor allem die Essener Unternehmen scheinen an der „Gaudi“ Gefallen gefunden zu haben. „80 Prozent der bisherigen Reservierungen gehen auf Unternehmen zurück. So langsam ziehen auch die Privatleute nach“, sagt Ted Terdisch, der das PlanB in Rüttenscheid und die Bar S6 in Stadtwald betreibt.

Täglich Lärmmessungen

Bei ihren Bemühungen wissen die beiden mit der Essen Marketing GmbH (EMG) auch die Stadt an ihrer Seite. Warum die eine solche Veranstaltung nicht längst selbst auf die Beine gestellt hat, beantwortet Dieter Groppe, Veranstaltungsleiter bei der EMG, so: „In der Innenstadt würde eine solche Veranstaltung nicht laufen, erst recht nicht über einen solchen Zeitraum. Deswegen sind wir dankbar, dass jetzt die Initiative ergriffen wurde.“ So übernimmt die EMG die Behördengänge und die Zusammenarbeit mit dem Ordnungsamt. Das wird nach Groppes Aussage täglich Lärmmessungen vornehmen, um die Anwohner soweit wie möglich zu schützen. „Nach der Gourmetmeile befürchten viele, dass sie beim Oktoberfest zwei Wochen keine Ruhe haben. Deswegen achten wir besonders auf die Lärmschutzbestimmungen“, sagt Groppe.

Studierte Folkwang-Musiker

Ted Terdisch, Werner Rzepucha (u.v.l.) und Manuela Brncic üben schon mal für das erste Rüttenscheider Oktoberfest. Foto: Knut Vahlensieck
Ted Terdisch, Werner Rzepucha (u.v.l.) und Manuela Brncic üben schon mal für das erste Rüttenscheider Oktoberfest. Foto: Knut Vahlensieck

Musikalisch erwartet die Besucher dabei keine „08/15-Blaskapelle“, sondern die eigens ins Leben gerufenen „Rüttenscheider Schürzenjäger“, die sich ausschließlich aus studierten Folkwang-Musikern zusammensetzen (s. Text unten). Auch darüber hinaus geht es nicht so traditionell wie beim „großen Bruder“ in München zu. Bei der „Groove-Night“ am Mittwoch, 9. Oktober, tritt unter anderem die New Yorker Soul-Sängerin Pamela Falcon auf, am Donnerstag sind statt blau-weißen Karos Regenbogenfarben angesagt: Zur „Queer-Night“, die gemeinsam mit Dietrich Dettmann, einem der Veranstalter des Ruhr-Christopher-Street-Day organisiert wird, steigt zwischen Maßkrügen und Hax’n eine Travestieshow.

„Das Ruhrgebiet ist eben nicht Bayern. Deswegen wird das unser ganz eigenes Oktoberfest“, so Ted Terdisch.

Diese beiden passen zum Oktoberfest wie DJ Ötzi zu Rock am Ring oder Andrea Berg zur Mayday: Wenn sich das bekannte Essener Jazz-Duo Benny & Joyce zum Oktoberfest gemeinsam mit seiner Band in die „Rüttenscheider Schürzenjäger“ verwandelt, wird es damit wohl als ungewöhnlichste Gaudi-Kapelle in die Schlager-Annalen der Musikgeschichte eingehen. „Anfangs waren wir ja skeptisch. Jetzt aber ist es einfach eine witzige Herausforderung“, sagt Benjamin „Benny“ Nauschütz. Gemeinsam mit Ehefrau Joyce van de Pol betreut er auch die Rüttenscheider Gourmetmeile musikalisch, die wie das Oktoberfest von Werner Rzepucha organisiert wird. „Als er fragte, konnten wir nicht nein sagen“, sagt Joyce van de Pol, die ihre künftige Rolle als „Marianne Rosenberg und Michelle in Personalunion“ mit einer guten Portion Humor sieht. Das Dirndl jedenfalls hängt schon im Schrank.

Choreographie und Songtexte sollten weniger das Problem der Profi-Musiker und Entertainer werden. Schlager, Neue Deutsche Welle, Pop-Hits – musikalisch schunkelt sich die Hausband des ersten Rüttenscheider Oktoberfests, die sonst im Jazz, Soul und R’n’B zu Hause ist, ins Neuland. Eines aber müssen die beiden nicht mehr lernen – andere Menschen zu unterhalten. Und um nichts anderes geht’s beim Oktoberfest.