Essen-Rüttenscheid. . Der 72-jährige Sigurd Wagner bewohnt eines von sechs Häusern an der Von-Seeckt-Straße, die seit 2002 unter Denkmalschutz stehen. 1913 war das Gebäude für einen Krupp-Ingenieur erbaut worden – seither haben die alten Mauern so manches erlebt.
Das Haus von Sigurd Wagner an der Von-Seeckt-Straße ist nur schwer zu übersehen: Auf Wunsch seiner Ehefrau erhielt das historische Gemäuer von 1913 Mitte der 1990er Jahre einen Anstrich im sogenannten „Pompeji-Rot“ und versprüht mit den kleinen blauen Zier-Quadraten an der Vorderfront fast mediterranes Flair.
Herrenzimmer und Waschraum
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Das dreistöckige Gebäude, das gemeinsam mit den fünf Nachbar-Gebäuden ein Ensemble bildet, steht seit 2002 unter Denkmalschutz. Sigurd Wagner hatte sich mit dafür stark gemacht, um die historische Substanz zu er- und potenzielle Investoren fernzuhalten. Wie alt das Haus ist, zeigt ein Schwarz-Weiß-Bild im Eingangsbereich, das seinen Betrachter sofort in die Zeit zurückversetzt, als die Küche noch Herrenzimmer war und in dicke Zigarren-Wolken eingehüllt wurde. Es zeigt ein junges Dienstmädchen in weiß gestärkter Schürze vor dem Eingangsbereich des Hauses. Große Flügeltüren im Wohnzimmer lassen noch immer erahnen, welch gesellschaftliche Ereignisse die junge Frau hier mit ihren Kolleginnen wohl bewältigen musste.
Im Souterrain, wo die Beschäftigten früher in Küche und Waschraum wirbelten, hat Wagner heute sein Anwaltsbüro untergebracht. Länger als 33 Jahre war der 72-Jährige Justiziar bei Krupp. Gewissermaßen setzte er mit dem Erwerb des Gebäudes 1977 eine Tradition fort: Erbaut wurde es für Johannes Frings, einem Krupp’schen Ingenieur, wie die verblichene Urkunde in altdeutscher Schrift bis heute belegt.
Nach dem Krieg einzelne Zimmer vermietet
Dass er sich einmal für geschichtsträchtige Gebäude interessierten würde, ist dabei einem Zirkel geschuldet, wie der in Berlin geborene Wagner schmunzelnd erzählt: „Meine Frau war Richterin am Arbeitsgericht. Wir haben auf einer Stadtkarte einen Kreis von fünf Kilometern um das Gericht gezogen und landeten hier. Auch, weil hier genug Platz für unsere Familie mit zwei Kindern war.“
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In der Nachkriegszeit wäre eine solche Fläche für eine Familie kaum denkbar gewesen: „In Folge der Wohnungsnot wurden hier sogar einzelne Zimmer vergeben“, weiß Wagner aus Erzählungen der Nachbarn. Wie in vielen alten Gebäuden gab es auch an der Von-Seeckt-Straße nur ein Badezimmer, entsprechend aufwändig war die Renovierung des Hauses in den Siebzigern.
Auch den Wintergarten verlegten Wagner und seine Frau in das Obergeschoss – damals galt noch kein Denkmalschutz für das Gebäude. Von dort blickt man mitten ins üppige Grün, das ebenfalls mit manch historischen Fundstücken überrascht. „Die Straßenlaterne habe ich nach dem Straßenumbau 1977 hier vor dem Müll gerettet“, sagt Wagner und deutet auf die historische Leuchte, die früher mit Gas betrieben wurde. Historisch Wertvolles sich selbst zu überlassen, das kann Wagner eben nicht.
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