Holsterhausen. . Die Software-Entwicklerin Anne Schüßler räumt mit Vorurteilen auf: Sie will mehr Frauen für die Informatik begeistern - und ihre Leser für ihr Quartier.
Als Anne Schüßler das Baumstriezel-Café betritt, widerlegt sie in wenigen Sekunden jedes gängige Klischee, das man über Software-Entwickler so haben kann. Erstens: Sie ist eine Frau. Zweitens: So farbenfroh wie die 32-Jährige angezogen ist, kann die oft der IT-Branche vorgeworfene Eigenschaft „langweilig“ auf keinen Fall auf sie zutreffen. Der erste Eindruck bestätigt sich im Gespräch zwischen noch dampfendem Baumstriezel und heißer Schokolade. „Programmieren ist kreative Arbeit. Dafür muss man weder zwingend ein Mann, noch ein Überflieger in Mathe sein“, sagt Schüßler, die bei einem Unternehmen in Hanau Dental-Software für 3D-Scanner in Zahnarztpraxen programmiert - und sich über etwas mehr weibliche Unterstützung in ihrer Branche freuen würde.
Verborgene Ecken entdecken
Dabei kennt sich die ausgebildete Fachinformatikerin nicht nur mit dem aus, was hinter der Bildschirmoberfläche liegt. 2004 ging ihr erster Blog ins Netz; seit dem Umzug von Düsseldorf nach Essen vor zwei Jahren spielt Holsterhausen auf ihrer Seite „Ach komm, geh wech“ eine tragende Rolle. „Man wohnt hier nicht, weil irgendwas besonders für Holsterhausen spricht, sondern eher, weil nichts wirklich dagegen spricht und man im Zweifelsfall schnell woanders ist“, schreibt sie nüchtern und meint das durchaus als Kompliment. Die „Unaufgeregtheit“ des Stadtteils sei es, die sie schätze - und „besondere“ Orte wie eben das Baumstriezel-Café, die kleine Zweibar und mit dem Xaver die „beste Currywurst-Bude des Ruhrgebiets“, wie sie in ihrem Blog für ihr Zuhause wirbt. Als gebürtige Kölnerin, die es von Düsseldorf nach Essen verschlug, betreibt sie damit sicherlich Pionierarbeit. „Holsterhausen ist ein spannender Stadtteil, weil es hier nicht so überlaufen ist, gleichzeitig aber immer mehr junge Leute das Quartier für sich entdecken“, sagt Schüßler.
Sie entdeckt gerne verborgene Orte. „Mir war immer schnell langweilig, deswegen bin ich immer auf der Suche“, sagt Schüßler und lacht. Bis sie ihren Traumjob fand, waren denn auch einige Umwege nötig. „Als ich merkte, dass ich mit meinem Studium der Musikwissenschaften, Soziologie und Kunstpädagogik nur schwer in den Arbeismarkt komme, musste ich mich eben umsehen“, sagt sie. 2002 begann sie ihre Ausbildung in Köln, programmierte anschließend für Firmen wie die Online-Jobbörse Stepstone. Ihre Leidenschaft fürs Programmieren entdeckte sie dabei schon während des Studiums, der Grundstein wurde noch früher gelegt: „Zuhause hatten wir schon Mitte der Achtziger einen Computer, interessiert hat mich das immer“, erinnert sich Schüßler. In ihrem Blog will sie Hemmschwellen abbauen - um mehr Frauen Mut zu machen. „Die Programmier-Sprache HTML klingt für viele erst furchtbar kompliziert, ist es aber nicht. Man kann alles lernen!“, sagte Anne Schüßler überzeugt. Sie selbst will weiter ihren Stadteil entdecken - der habe schließlich ebenso spannende Schätze im Verborgenen zu bieten, wie ihr Beruf.