Stadtwald.. Christian Reuter aus Stadtwald sammelt seit vielen Jahren Papiertheater. Bei seinen Ausstellung und Vorträgen vermittelt der Experte die Geschichte der filigranen Kunstwerke, die früher beliebtes Spielzeug für die bürgerlichen Familien waren.
Ein Archiv der ganz besonderen Art besitzt Christian Reuter. Das Haus in Stadtwald, das der 75-Jährige mit seiner Frau bewohnt, dürfte nicht kleiner sein. Denn Christian Reuter sammelt Papiertheater, baut sie auf und präsentiert sie auch gern dem interessierten Publikum im Rahmen von bisher 27 Ausstellungen, wie zuletzt in der Alten Cuesterey in Borbeck oder im Rellinghauser Blücherturm. Neue Ausstellungstermine gibt es noch nicht. „Ich sage jedes Mal: Das ist meine letzte Ausstellung“, lacht Reuter - und glaubt das ganz offensichtlich auch selbst nicht. Zu sehr merkt man ihm die Begeisterung für die filigranen Kunstwerke an. Auf Papier gedruckte Figuren und Kulissenteile, ausgeschnitten aus Bögen, aufgezogen auf Pappe oder Holz, bilden Theater aus aller Welt fast originalgetreu ab.
An die 150 Papiertheater und fast 3000 Bögen mit Kulissen und Figuren gehören zur Sammlung von Christian Reuter, der früher auch selbst Papiertheater spielte. „Das mache ich heute nicht mehr, höchstens noch kleine Sequenzen für Vorträge. Mein Ding ist das Sammeln“, erklärt der Rentner, der nach zahlreichen beruflichen Stationen rund 35 Jahre in der Kraftwerksabteilung von RWE tätig war. „Mit den Papiertheatern habe ich mir im Prinzip einen zweiten Beruf aufgebaut“, sagt Reuter. Bereits während seines Arbeitslebens begeisterte er sich für die dreidimensionalen Miniaturbühnen und baute dieses Hobby nach seiner Pensionierung noch aus.
„Ich habe erstmal Buchbinderkurse besucht, um mir entsprechenden Materialkenntnisse zu verschaffen“, blickt Reuter zurück, der sein Hobby mit akribischer Genauigkeit und beinahe wissenschaftlich betreibt: Literatur zu den verschiedenen Aspekten des Themas füllt ganze Regale, zahlreiche Kisten und Aktenordner bergen seine Schätze aus Papier. Mit ganz speziellen Schneidewerkzeugen kann Reuter auch feinste Motive wie Palmenwedel ausschneiden.
Die Liebe zu Papiertheatern geht bis in die Kindheit zurück. 1954 floh seine Familie aus Ost-Berlin in den Westen - und musste neben vielen anderen Dingen auch ein Papiertheater zurücklassen. Mit dem hatten schon sein Vater und sein Onkel Gerhard Reuter, in den 1950er Jahren Chef-Dramaturg in Essen, gespielt. Christian Reuter selbst kümmerte sich damals eher um Licht, Vorhang und Restaurierungsarbeiten. Später verblasste die Erinnerung an die heimischen Aufführungen - bis Reuter Anfang der 1980er Jahre mit seiner Familie - die Reuters haben einen Sohn und eine Tochter - in Dänemark Urlaub machte - und in der Nähe von Kopenhagen ein Geschäft mit Papiertheatern entdeckte.
Die Faszination des Papiertheaters liegt für Christian Reuter in der Dreidimensionalität. Schon im 18. Jahrhundert habe diese Technik die Menschen begeistert, als das Bürgertum sich glühend fürs Theater zu interessieren begann, das früher nur den Adeligen vorbehalten war. „Die Leute waren ganz wild auf Bilder von Schauspielern. Die sammelte man damals wie wir heute Panini-Fußball-Bilder“, erläutert der Pensionär und passionierte Sammler.
Durch die Erfindung der Lithographie als Drucktechnik habe das Genre damals einen Aufschwung genommen - es sei einfach im Gegensatz zu den Kupferstichen viel billiger gewesen, Flachdrucke in großer Auflage herzustellen. In Deutschland habe ein Düsseldorfer Verlag ab 1804 die Figurenbögen zum Ausschneiden produziert. „So konnte man klassische Schauspiele von Goethe oder Schiller, vor allem aber die beliebten Opern quasi originalgetreu mit den Figuren nachspielen“, erklärt Christian Reuter.
Die etwa 30 mal 40 Zentimeter großen Kästen mit den gestaffelt aufgestellten Figuren seien damals in bürgerlichen Haushalten ein Spielzeug für die ganze Familie und eine Alternative zur Hausmusik gewesen: Der Vater baute die Kulissen, die Mutter sorgte für die Klavierbegleitung und die Kinder bewegten die Figuren.