Stadtwald. . Zum ersten Mal findet am Heiligabend in diesem Jahr das „Familientreffen“, die traditionelle Weihnachtsparty, die erstmals 1988 in der Szenekneipe Schleifmühle im Walpurgistal stattfand, ohne den ehemaligen Schleifmühlen-Wirt Norbert Bethscheider statt. Nach inhaltlichen Differenzen hat er sich aus dem Organisatoren-Team verabschiedet, will die Heiligabend-Party aber 2013 in seiner jetzigen Kneipe im Grend in Steele wieder aufleben lassen.
Es gibt Kneipen, die prägen ganze Generationen. Dazu gehört sicherlich die legendäre Schleifmühle, mitten im Wald im Walpurgistal gelegen. In den 1980er und 1990er Jahren war sie zweite Heimat vieler Essener, ein beliebter Studenten- und Szenetreff. Ebenso legendär wie die Kneipe selbst waren die „Familientreffen“ am späten Heiligabend, bei denen es dann nicht mehr ganz so heilig, dafür aber um so schräger zuging. Die Schleifmühle ist längst Vergangenheit, doch der Geist der Kneipe weht weiter, wie der damalige Wirt Norbert Bethscheider, heute Betreiber der Kneipe im Steeler Kulturzentrum Grend, versichert. Vor elf Jahren schloss die Schleifmühle, doch fanden weiterhin jedes Jahr zu Heiligabend „Familientreffen“ als Kooperation mehrerer gastronomischer Partner an wechselnden Orten statt.
Heute Abend allerdings wird ein „Familienmitglied“, nämlich eben die Schleifmühle, fehlen. „Die Party, die die letzten Jahre im Naked in der Innenstadt stattfand, gibt es auch heute. Aber die Schleifmühle hat in diesem Jahr ihren Abschied von den langjährigen Weggefährten verkündet“, sagt Norbert Bethscheider. Hintergrund sei, dass man sich „auseinander entwickelt“ habe, so der Grend-Betreiber.
Allerdings soll es kein Abschied für immer sein. „2013 wollen wir die Legende wieder aufleben lassen und das Weihnachtstreffen im kleineren, persönlichen Rahmen im Grend veranstalten“, so Bethscheider. Auch dort gebe es ja drei Etagen, auf denen sich die Gäste - so sie denn zahlreich erscheinen würden - ausbreiten könnten. Damit spielt er auf die früheren Schleifmühlen-Partys an, bei denen man sich oft ebenfalls auf drei Etagen tummelte.
Das erste weihnachtliche „Familientreffen“ ging 1988 über die Bühne. Wirt und Wirtin - Norbert Bethscheider und seine damalige Freundin Susanne Treutler - verkleideten sich als Josef und Maria, es gab eine Wiege mit Stroh und vor der Kneipe war Nachbars Esel „geparkt“, erinnert sich Bethscheider. „Ursprünglich war das Ganze als Geschenke-Tauschbörse gedacht, aber dann wurde es eine lustige Veranstaltung, bei der die Leute, die Taschen voller Weihnachtsgeld, es genossen, zu später Stunde aus den Familienzwängen befreit zu sein.“ Die Schleifmühle sei damals die einzige Essener Gastronomie gewesen, die am späten Heiligabend öffnete, so Bethscheider. Bis zu 400 Besucher hätten dort gefeiert.
Als die Schleifmühle 2001 schloss, wechselte die „Familie“ zu Weihnachten in größere Läden wie Katakomben-Theater, Unperfekthaus und Déjà Vu. 2007 habe sich in Rüttenscheid eine Konkurrenzveranstaltung entwickelt, die die Szene teilte. „Ab 2007 gab es einen Verbund aus Schleifmühle, Zweibar, Soul, Goethebunker und Banditenbar, der gemeinsam Heiligabend im heutigen Naked feierte“, erklärt Bethscheider. „Irgendwie haben sich aber dann Altersstruktur und Musik geändert, elektronische Musik nahm immer mehr Raum ein. Der alte Geist ging ein wenig verloren“, so Bethscheider. Und so muss es in diesem Jahr ohne die gute alte Schleifmühle gehen. Ab jetzt heißt es, Kräfte sammeln für die Wiederbelebung im nächsten Jahr.