Rellinghausen/Stadtwald. Die Rellinghauser bereiten bereits jetzt „500 Jahre Annenfest“ vor, das im Jahr 2016 begangen wird. Das ehemalige Bergbaudorf hat sich zum beliebten Wohnstadtteil gewandelt. Doch es gibt für Johannes Stoll, den Vorsitzenden der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, auch Kritikpunkte. So wünscht er sich eine bessere Zusammenarbeit mit den Kaufleuten in Rellinghausen und Stadtwald.
Das schlimmste Chaos, verursacht durch die langwierige Großbaustelle auf der Frankenstraße, haben die Rellinghauser hinter sich. Johannes Stoll (64), pensionierter Bauingenieur und seit vier Jahren Vorsitzender der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, sieht den Umbau der Hauptverkehrsader insgesamt aber durchaus positiv für die Entwicklung des Stadtteils, wie er im Gespräch mit Elli Schulz bestätigte.
Was sind die Stärken Rellinghausens und Stadtwalds?
Auf jeden Fall der große Wandel. Rellinghausen war ein klassisches Bergbaudorf, geprägt von den beiden Großzechen Gottfried Wilhelm und Langenbrahm. Abseits der Hauptstraßen gibt es zahlreiche intakte Siedlungen wie Altenhof II, Ulmenstraße, Eyhof, Trappenbergstraße und Gottfried-Wilhelm, die sich ihren Charme der 1920er und 1930er Jahre bewahrt haben. Die Mieten sind akzeptabel, der Freizeitwert ist hoch, die Lage stadtnah und die Verkehrsanbindung vernünftig.
Und die Schwächen?
Es tut sich nichts in Sachen Ausbau der Frankenstraße auf dem Stück Richtung Stadtwaldplatz zwischen Stiftplatz und Kleppes Feld, das in einem wirklich schlechten Zustand ist. Die Denkmalbehörde ist in der Pflicht, die Sanierung des mittelalterlichen Stiepelturms in Angriff zu nehmen. Nach einem studentischen Projekt vor einigen Jahren liegen ja Nutzungspläne bereits in der Schublade. Zudem läuft die Gesamtschule Süd aus und es wird Zeit, über die künftige Nutzung des gerade für viel Geld energetisch sanierten Gebäudes nachzudenken. Vielleicht sucht ja die expandierende Internationale Schule noch Räumlichkeiten. . .
Rellinghausen und Stadtwald muss man also gemeinsam betrachten?
Ja. Wir kümmern uns als Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald ja um die Belange beider Stadtteile. Zudem gibt es eine große Differenz zwischen der realen und der gefühlten Zugehörigkeit zu den Stadtteilen. Große Teile von Stadtwald gehören eigentlich zu Rellinghausen, das ja der Ursprungsstadtteil war. Stadtwald wurde erst 1960 durch einen Verwaltungsakt offiziell geschaffen, war vorher die Rellinghauser Teilgemeinde Heide.
Warum leben die Menschen gern hier?
Herr und Frau Wichtig sind hier eher selten anzutreffen. Bei Nachbarschaftsfesten feiert der Direktor neben der Bergmannswitwe.
Wie sieht es in Sachen Gastronomie aus?
An Restaurants haben wir für jeden Geschmack etwas. Und wir haben einige der schönsten Biergärten Essens, wie das Jagdhaus Schellenberg, Kockshusen, das Alte Stiftshaus und den Gebrandenhof. Bis zum Ersten Weltkrieg war Rellinghausen ein ruhrgebietsweit bekannter Naherholungsort mit Strandbad an der Ruhr und Ausflugslokalen, in denen weit über 1000 Personen Platz fanden. Biergärten haben hier also wirklich Tradition. Auf der anderen Seite erschwert der hohe Anteil an Eigenheimen den Gastronomen das Leben, denn im Sommer feiern viele im eigenen Garten.
Hat die monatelange Bautätigkeit auf der Frankenstraße dem Stadtteil geschadet?
Natürlich hat es Beeinträchtigungen gegeben, aber insgesamt sehe ich die Umgestaltung positiv. Ich weiß von einer Geschäftsaufgabe in der Zeit, aber Einkaufen ist auch nicht mein Interessensgebiet. Der Branchenmix scheint mir verbesserungswürdig zu sein.
Gibt es preisgünstige Neubaugebiete im Stadtteil, die für junge Familien attraktiv sein könnten?
Eigentlich nicht. An der Kantorie/Renteilichtung wurde zwar in den vergangenen Jahren gebaut, aber das sind sehr hochwertige und vor allem hochpreisige Villen. Die Altersstruktur in Rellinghausen und Stadtwald ist durch die zahleichen Seniorenheime und -wohnungen aus der Balance geraten. Ich könnte mir die Ansiedlung von Studentenwohnheimen für vielleicht 500 bis 700 Studenten als Ausgleich gut vorstellen.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Vereinen, Verbänden und Werbegemeinschaften?
Wir haben als Bürgerschaft versucht, die Werbegemeinschaften von Rellinghausen und Stadtwald an einen Tisch zu bekommen und zur Zusammenarbeit, zum Beispiel für ein Sommerfest oder einen Wintermarkt, vielleicht am Schloss Schellenberg, zu bewegen. Wir hätten die Moderation übernommen. Aber das hat nicht funktioniert. Auch die Versuche, durch einen gemeinsamen Kalender Terminüberschneidungen zu vermeiden, sind gescheitert. Aber da muss man auch über den Stadtteil hinausschauen, denn Feste in Rüttenscheid oder in der Innenstadt ziehen ja mehr Leute ab, als wenn die Awo und ein Sportverein im Stadtteil gleichzeitig feiern. Aber das zu koordinieren, ist auch eine Zeitfrage. Ich investiere schon 30 Stunden pro Woche für die Bürgerschaft. Mehr ist nicht machbar.
Nutzt Rellinghausen sein historisches Potenzial richtig?
Wir sind mächtig stolz auf unsere historischen, mittelalterlichen Stätten. Neben der Innenstadt, Werden und vielleicht Stoppenberg sind wir die einzigen, die noch so viele gut erhaltene oder wiederaufgebaute Stätten wie Stiftsmauer, Brauhaus, St. Lambertus, Stiepelturm und Blücherturm haben. Die Gemeinde St. Lambertus hat schon einiges restauriert, das Dach erneuert und den alten Friedhof am Glockenberg wieder hergerichtet - auch schon in Vorbereitung auf 2016, wenn 500 Jahre Annenfest gefeiert werden. Zudem bekommen wir im September von der Stadt vier neue historische Laternen, keine Originale, aber Nachbauten. Etwa 30 Stück stehen bereits auf dem alten Stiftsgebiet.
Was sollte bis zum Jubiläum 2016 noch getan werden?
Ich appelliere an die Hausbesitzer im „Dorf“, die in den kommenden Jahren sowie Renovierungen oder Fassadenanstriche planen, das doch vorzuziehen, damit sich Rellinghausen zum Jubiläum sehen lassen kann.
Gibt es genug Unterstützung seitens der Politik?
Die Zusammenarbeit mit der Bezirksvertretung II ist ausgezeichnet. Wir finden dort parteienübergreifend ein offenes Ohr für unsere Anliegen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass wir weiter gut mit den Politikern zusammenarbeiten, dass wir den Stadtteil für das Jubiläum aufhübschen und die Frankenstraße auch Richtung Stadtwaldplatz endlich erneuert wird.