Bergerhausen/Rüttenscheid. . Der Tenor Christian Polus, lange Jahre mit den „German Tenors“ in aller Welt unterwegs, realisiert nach der Auflösung des Trios andere Projekte: Er schreibt seine Doktorarbeit, hilft Menschen, die ihre Stimme verloren haben, mit sprachtherapeutischen Übungen und eröffnet in Kürze gemeinsam mit seinem Sohn René Polus eine Musikschule in Bergerhausen.
„Die Faszination der Stimme ist mein Leben, meine Leidenschaft“, sagt Christian Polus. Und damit meint der Tenor nicht seine eigene, zweifelsohne beeindruckende Stimme, sondern Stimmen im Allgemeinen, Singstimmen, Sprechstimmen. 17 Jahre lang war der aus Oberschlesien stammende Polus mit zwei Kollegen als „German Tenors“ unterwegs, füllte mit Klassik und Cross Over Konzertsäle in aller Welt. Jetzt gehen die drei Sänger, die weiter guten Kontakt pflegen, getrennte Wege. Und Christian Polus hat endlich Zeit für andere Projekte. Gemeinsam mit Sohn René Polus (22) erfüllt sich der 57-Jährige seinen Traum: In Kürze, spätestens im Juni, wenn alle Instrumente geliefert sind, eröffnet er die Musikschule „Vielharmonie“ an der Max-Keith-Straße.
Dort wollen Polus und sein Team aus zehn Lehrkräften nicht nur Menschen zum Singen animieren, ihnen das Spielen diverser Instrumente beibringen, sondern auch - wenn nötig - die Stimme zurückgeben. Seit Jahren arbeitet Polus mit einem Duisburger Chefarzt zusammen, der als Experte in Sachen Stimme gilt. „Die größte Freude ist es für mich, wenn ich Menschen helfe, ihre Stimme zum Klingen zu bringen“, sagt Polus. Und dabei geht es nicht darum, Konzertsäle zu füllen. Polus erinnert sich an die Frau, die nach einer Operation eine doppelte Stimmbandlähmung zurückbehalten hatte und so nicht mehr leben wollte. „Gerade die Arbeit mit Patienten, die die Logopäden aufgegeben haben, ist eine Herausforderung für mich. Auch in angeblich hoffnungslosen Fällen kann man mit gezielten Übungen viel bewirken. Viele Menschen wissen gar nicht, wo die Atmung hingehen soll“, erklärt Polus.
Der Verlust der Stimme kann vielfältige Ursachen haben: Unfall, Krankheit, eine misslungene Operation, ein traumatisches Ereignis. „Ich arbeite mit einem Pharmavertreter, der beruflich natürlich auf seine Stimme angewiesen ist und seit 20 Jahren, nach einer Erkältung, nur noch flüstern kann“, sagt Polus. Selbst Asthma-Patienten atmeten durch das Singen viel tiefer und befreiter. „Noch schöner und befriedigender als jeder Applaus auf der Bühne ist die Lebensfreude und Dankbarkeit der Menschen, denen ich helfen konnte, ihre Stimme wiederzufinden.“
In seiner Musikschule will der Tenor auch solchen Menschen helfen. Und solchen, die Vorträge halten müssen und schon nach wenigen Minuten außer Atem geraten. Und natürlich denen, die sich auf eine musikalische Prüfung vorbereiten, sei es an der Hochschule oder beim Casting für „Deutschland sucht den Superstar“ - wobei Christian Polus auf dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung den hoffnungsvollen Nachwuchs durchaus auch vor den Gefahren der Branche warnt.
„Die Menschen singen heute zu wenig, haben Hemmungen, ihre Stimme zu erheben. Das war früher anders“, findet Polus. „Viele Leute spielen Lotto, aber den Hauptgewinn tragen sie vielleicht in sich, ohne es zu wissen“, will Polus Talente zu Tage fördern.
Seit 30 Jahren wohnt Polus, der an der renommierten Musikakademie in Kattowitz studierte, in Essen, war zeitweise am Aalto-Theater engagiert. Noch heute steht er auf der Bühne, gibt regelmäßig Konzerte. „Damit verdiene ich ja meinen Lebensunterhalt. Eigentlich wollte ich aber immer auch andere Dinge machen“, gibt er zu. Zum Beispiel promovieren, was er derzeit an der Folkwang-Hochschule im Bereich Musikwissenschaft realisiert. „Mein Professor hat mir geraten, das zu Ende zu bringen, bevor ich ins Altenheim gehe“, grinst Polus. Schwer vorstellbar, dass der vor Energie und Tatendrang sprühende Mann jemals ins Altenheim gehen wird, aber wenn’s hilft, die Arbeit am Thema „Polnische Nationalopern“ und die Sache mit dem Doktortitel zu beschleunigen - dann war der Tipp nicht so verkehrt.