Südviertel. . Bürgerverein lud Eltern mit Kindern zu einem spannenden Rundgang durch das Moltkeviertel ein.

Premiere mit Hindernissen: Bei der ersten Familienführung des Bürgervereins Moltkeviertel zeigte sich das Wetter von seiner bescheidensten Seite. Doch trotz Regens und starken Windes machte sich ein gutes Dutzend Erwachsene und Kinder auf, um mit Jutta Sawatzki und Lisa Lambrecht-Wagenitz alte und neue Schätze des Wohnviertels zu entdecken.

„Gerade in so einer großen Stadt wie Essen ist es doch wichtig, dass man sich in seinem Viertel engagiert“, meint Kai Löscher. An seiner Hand hält er seine sechsjährige Tochter Julie, die erwartungsvoll unter ihrer Regenjacke hervorlugt. „Wir waren vor allem neugierig, was Kinder hier alles Spannendes erfahren können.“

Doch für die Kleinen gibt es erst mal einen Dämpfer: Wegen des Matsches können sie die Skulpturen auf der Wiese am Moltkeplatz nicht bekuscheln. Dabei lade Heinz Brelohs Bronzefigur „Lebensgröße“ eigentlich genau dazu ein, bedauert Lisa Lambrecht-Wagenitz: „Der Künstler hat seine Skulptur mit Schultern, Knien und Kopf bearbeitet“, erklärt sie den staunenden Kindern und deutet auf das Werk. „Dadurch sind die Spuren seines Körpers noch erhalten.“

Sichtbaren Eindruck macht Gloria Friedmanns Denkmal eines abgestorbenen Baums in roter Betonwand. Kunsterfahrene wie der elfjährige Paul erraten auf Anhieb, dass die Farbe für Liebe und Signalwirkung steht. „Die Künstlerin sagt damit: ‚Achtet bei allem Fortschritt auch auf die Natur‘“, betont Lambrecht-Wagenitz. Wenige Schritte weiter entlocken der denkmalgeschützte Kirchenbau von Otto Bartning, das Robert-Schmidt-Berufskolleg und die Villa Koppers den Erwachsenen bewundernde Blicke.

Personal-Marketing

„Das Besondere am Moltkeviertel war schon früher die Verbindung von Lebensqualität und Stadtnähe“, schwärmt Jutta Sawatzki. „Hier waren früher große Architekten wie Schmidt, Semper oder Olbrich am Werk, deren Namen man immer noch an vielen Straßenschildern lesen kann.“

Begeistert zeigt sich auch Kai Löscher: „Schon vor hundert Jahren wurde hier Personal-Marketing perfekt umgesetzt, um Ingenieure und ihre Gattinnen herzulocken.“Dies fasziniere ihn umso mehr, da er selbst im Personalwesen tätig sei. „Qualifizierte Kräfte an sich zu binden, ist schließlich immer noch eine Herausforderung für die Firmen“, sagt er.

Für die Kinder sind da schon die alten Schwarz-Weiß-Fotos des Moltkeviertels spannender. „Früher gab es hier einen riesigen Kinderspielplatz“ erzählt Jutta Sawatzki. Prompt beugen sich vier Köpfe über die Aufnahmen. Für Kichern sorgt der Anblick der damaligen Tennisplätze: „Die Frauen spielen ja in einem langen Kleid“, ruft Julie. Kaum zu glauben, wenn man an die vergleichsweise spärliche Bekleidung der heutigen Spielerinnen denkt. „Damals war es etwas ganz Neues, sich draußen sportlich zu betätigen“, erläutert Lambrecht-Wagenitz.

Am ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Koppers zücken die Frauen etwas hervor, das die Kinderaugen noch größer werden lässt: Koksstücke. „Echte Ruhrgebietskohle“, versichert Lam-brecht-Wagenitz. „Fühlt sich komisch an“, flüstert Julie ihrem Vater zu. So etwas hat sie noch nie gesehen, auch nicht im Kindergarten. „Was macht man denn damit?“ fragt sie. Der Papa lächelt: „Das erkläre ich dir ein anders Mal.“