Bergerhausen/Huttrop. . Damit auch bettlägerige Senioren am kulturellen Leben teilnehmen können, geht das Seniorenheim Haus Abendfrieden jetzt neue Wege. Erstmals war Puppenspieler Gernot Hildebrand mit seinem mobilen „Theater aus der Truhe“ zu Gast.

Wer Lust auf Kultur hat und mobil ist, geht ins Konzert oder Theater. Wer bettlägerig ist, hat diese Möglichkeit nicht. Und doch gehört Kultur zum Menschsein, auch für alte, kranke und dementiell veränderte Menschen. Angesichts dieser Erkenntnis geht das Haus Abendfrieden, Seniorenheim der Adolphi-Stiftung an der Töpferstraße, jetzt neue Wege.

Erstmals war Gernot Hildebrand mit seinem „Theater aus der Truhe“, einem mobilen Marionetten-Theater, zu Gast in der Senioreneinrichtung. Für die Bewohner, die ans Bett und damit oft auch ans Zimmer gefesselt sind und so an den kulturellen und sozialen Aktivitäten im Gemeinschaftsraum nicht mehr teilnehmen können, war der Besuch auf jeden Fall ein Höhepunkt. „Mit dem Laufen klappt es nicht mehr. Auch das Sehen und Hören geht nicht mehr wie früher. Aber im Kopf bin ich ja noch fit“, sagt Bewohnerin Paula Heinrichs. Die 92-Jährige weiß sich auch liegend zu beschäftigen, liest viel und löst Kreuzworträtsel. Trotzdem freute auch sie sich auf den Besuch der Puppenspielers: „Das ist mal was anderes.“

Und in Tat: Die Darbietungen von Gernot Hildebrand aus Northeim, eigentlich Orthopädie-Techniker und seit einem Jahr mit dem „Theater aus der Truhe“ selbstständig, sind schon ungewöhnlich. „Die Idee zu dem Marionetten-Theater kam mir in Prag, wo es an jeder Ecke diese Puppen zu kaufen gibt, in Erinnerung an die alte böhmische Tradition.“ Gabriele Maaß, im Haus Abendfrieden in der Sozialen Betreuung tätig, stieß bei ihrer Recherche im Internet auf den Puppenspieler. „Wir wollen unseren Bewohnern immer wieder etwas Neues bieten“, sagt sie. Vom mobilen Marionetten-Theater war sie sofort begeistert. „Hildebrand spielt vor allem Märchenstücke, an die sich auch demente Bewohner erinnern können“, sagt die Sozialpädagogin. Hildebrand hat derzeit fünf Stücke zwischen fünf und 25 Minuten im Repertoire. Die Stücke sind auch inhaltlich unterschiedlich anspruchsvoll, so dass sie auf die Zuschauer und ihre jeweilige Verfassung abgestimmt werden können. „Viele sind so krank, dass sie sich gar nicht über längere Zeit konzentrieren können“, sagt Maaß.

19 der 102 Bewohner im Haus Abendfrieden sind bettlägerig und kamen jetzt in den Genuss der Darbietung. Gernot Hildebrand zog mit dem Theater auf Rädern von Zimmer zu Zimmer, platzierte die Bühne direkt vor den Betten - und begann mit einem Wanderlied, das er auf der Bassflöte den Senioren vorspielte. Die sangen spontan mit und erwiesen sich teils als erstaunlich textsicher. Zum Abschluss des Stücks - sei es ein Grimm’sches Märchen oder eine Erzählung aus Armenien - gab’s ein weiteres Volkslied und Gelegenheit, die kleinen Fadenpuppen einmal selbst anzufassen. Maaß: „Das ist ganz wichtig. Das Puppenspiel soll ja ein Erlebnis für alle Sinne sein.“ Und wenn die alten Menschen, die sonst kaum noch am Leben teilnehmen, eine Melodie mitsummen, mit dem Finger auf die Puppen zeigen, die Mundwinkel nach oben gehen und sogar ein Lachen über das Gesicht huscht - dann ist das Ziel erreicht.