Rüttenscheid. . Die Mitarbeiter des St.-Andreas-Stifts wollen ihre Ansätze für einen sinnlichen Alltag und ein würdevolles Leben für Demenzpatienten in Zusammenarbeit mit der Theologin Carmen Birkholz vertiefen.
Ein gemeinsames Ziel verfolgen das Seniorenstift St. Andreas an der Paulinenstraße und die freie Theologin Carmen Birkholz. „Wir wollen die Krankheit Demenz, die immer noch gesellschaftlich tabuisiert ist, in den Blickpunkt rücken. Es muss möglich sein, an Demenz erkranken zu können, ohne dass Familie und Freunde peinlich berührt sind“, sagt Carmen Birkholz. Sie arbeitet seit längerem in der Mitarbeiter-Fortbildung und stößt Projekte an, die den Patienten ein Leben in Würde und mit Lebensqualität ermöglichen.
Aktueller Anlass, sich gemeinsam mit dem Team des St.-Andreas-Heims mit dem Thema zu beschäftigen, war der Freitod von Gunter Sachs, der sich erschoss, weil er glaubte, an Alzheimer erkrankt zu sein. Carmen Birkholz will das öffentliche Interesse, das der prominente Fall auslöste, nutzen. Real sei nicht nur die Angst der Menschen, an Demenz zu erkranken, sondern auch die Unsicherheit der Angehörigen, wie mit den Betroffenen umzugehen sei.
Mit ihren Vorstellungen von palliativer Kultur, die „Lebensqualität bis zum letzten Atemzug“ ermöglichen soll, stößt Birkholz bei den Mitarbeitern der St.-Andreas-Stiftung auf offene Ohren. Pflegedienst-Leiterin Ursula de Buhr: „60 bis 70 Prozent unserer Bewohner sind dementiell erkrankt. Aber es macht große Freude, mit ihnen zu arbeiten, denn sie halten keine Fassade aufrecht, sondern sind echt, einfach sie selbst.“
„Und sie haben die Fähigkeit, im Hier und Jetzt glücklich zu sein. Wenn wir mit den Bewohnern auf Reisen waren, haben sie oft sofort vergessen, dass sie überhaupt weg waren. Aber während sie unterwegs sind, genießen sie es. Diese Fähigkeit, den Augenblick zu erleben, ist uns oft weitgehend abhanden gekommen“, ergänzt ihre Tochter Veronika de Buhr, Sozial-Gerontologin. Auch sie arbeitet mit Demenz-Patienten.
Wie wichtig neue Ansätze in der Arbeit mit Senioren seien, zeige die Tatsache, dass ab 85 die Wahrscheinlichkeit sprunghaft ansteige, an Alzheimer und Co. zu erkranken. „Man muss Wege finden, die Menschen zu unterstützen, respektvoll und einfühlsam mit ihnen umzugehen, aber gleichzeitig auch die Ängste der Angehörigen abzufedern“, erklärt Birkholz, die im St.-Andreas-Stift bereits viele interessante Ansätze für ihre Arbeit vorfand.
So gibt es im Garten des Heims eine Kräuterschnecke, die den Geruchs- und Geschmackssinn der Senioren aktiviert. Und einen Strandkorb, in dem sich die Bewohner Kaffee oder ein abendliches Schnäpschen genehmigen können - und dabei vielleicht an vergangene Urlaube zurückdenken. Im „Stübchen“, einrichtet im „Gelsenkirchener Barock“, wie es Ursula de Buhr augenzwinkernd beschreibt, gibt es Dinge, die die Senioren von früher kennen: Puppenwagen, Nähmaschine, Radio. Und im „Kaiserbad“ finden Fans von Sissi ein wandfüllendes Porträt der legendären österreichischen Kaiserin. „Bei uns leben 90 Prozent Frauen, die auch gern mal mit Rosenblättern und einem Gläschen Sekt baden - das alles natürlich in der modernen Pflegewanne“, sagt de Buhr.
Solche Ansätze, bei denen es um Sinnlichkeit und Ästhetik geht, will Carmen Birkholz mit dem Team vertiefen: „Ich möchte konzeptionell, aber auch direkt mit den Erkrankten arbeiten, wobei die Angehörigen immer wichtigster Partner sind“, sagt sie und ergänzt: „Im Pflegeheim darf man gebrechlich und krank werden, darf man sterben. Das gehört zum Leben.“