Stadtmitte. . Durch die Ganztagsbetreuung an Schulen hat sich in der Jugendarbeit einiges verändert. Das Weigle-Haus beispielsweise greift verstärkt auf Jahrespraktikanten zurück, um die Gruppenarbeit im Kinderbereich weiter gewährleisten zu können.
Die Jugendarbeit verändert sich, neue gesellschaftliche Begebenheiten erfordern neue pädagogische Konzepte - eine Erfahrung, die die Mitarbeiter des traditionsreichen Weigle-Hauses immer wieder machen. Und manchmal stellen sogar hart erkämpfte, politisch gewollte Veränderungen wie die Ganztagsbetreuung an Schulen das Team vor Probleme, erklärt der Leiter des Weigle-Hauses, Pfarrer Rolf Zwick. „Seit die Schule immer weiter in den Nachmittag ausgedehnt wurde, sind die Jugendlichen, die ehrenamtlich Jugendgruppen leiten, erst viel später am Nachmittag verfügbar als früher“, sagt der Sozialpädagoge Tobias Klug (33). Das erfordere ein Umdenken in Sachen Ehrenamtlichenarbeit. Seit drei Jahren gibt es deshalb ein Team aus Jahrespraktikanten, das viele der Aufgaben im Kinderbereich übernimmt. „Das sind sechs, sieben junge Leute, die nach der Schule, meist nach dem Abitur, für ein Jahr zu uns kommen und in der Regel einen Beruf im sozialen Bereich anstreben“, sagt Klug.
Die Jahrespraktikanten bekämen nur ein Taschengeld, erhielten aber einen Mentor als Orientierungshilfe an die Seite. „So können sie herausfinden, ob der anstrebte Beruf wirklich der richtige für sie ist“, betont Klug den Nutzwert für die Praktikanten. Einige wohnen in angegliederten Wohngemeinschaften, eine WG befindet sich sogar im Weigle-Haus selbst.
Der Vorteil: Die Kinderarbeit kann fortgesetzt werden. Und das ist den Mitarbeitern sehr wichtig. „Auch wenn die Kinder und Jugendlichen jetzt mehr Zeit in der Schule verbringen, bleibt es dennoch wichtig, die Kinder außerschulisch zu erreichen“, versichert Tobias Klug. Im Jugendhaus öffneten sich die Mädchen und Jungen ganz anders, lernten, Verantwortung zu übernehmen und Aktivitäten für Gruppen zu organisieren. Klug: „Das lernt man in der Schule so nicht.“
Das Weigle-Haus wurde vor knapp 100 Jahren 1912 eröffnet und ist ein freies Werk innerhalb der ev. Kirche im Rheinland. Neben dem Standpunkt an der Hohenburgstraße 96 gehören das Paulus-Jugendhaus in Huttrop und das Zwingli-Haus in der Nordstadt zur Einrichtung. „Das Paulus-Jugendhaus wird abgerissen. Wir wollen aber auf jeden Fall mit der Jugendarbeit vor Ort bleiben und suchen deshalb geeignete Räumlichkeiten in Huttrop“, sagt Pfarrer Rolf Zwick.
Neben Mädchen- und Jungenarbeit, Sportgruppen, Streetwork und Freizeiten gehört die Hausaufgabenhilfe Kapito seit über zehn Jahren zu den Schwerpunkten der Arbeit. Im Rahmen der Hausaufgabenhilfe kooperiert das Weigle-Haus mit der Heinicke-Schule und der Grundschule am Wasserturm, bei der Übermittagbetreuung mit der Wilhelm-Körber-Förderschule.
In den letzten Jahren habe das Weigle-Haus sein Angebot an Wochenenden und in den Ferien stark ausgedehnt - auch eine Folge der Ganztagsbetreuung an Schulen. „Am Samstag gibt es hier ab 16 Uhr Programm, am Sonntag ab 14 Uhr für Kinder und ab 16 Uhr für Jugendliche“, erklärt Religionspädagogin Sarah Vecera.
Auch das Angebot „Ortswechsel“ gehört zur verstärkten Kooperation mit den Schulen. Die Mitarbeiter des Weigle-Hauses gehen an die Schulen, stellen dort ihre Angebote zu Schwerpunkten wie Mobbing, Berufsorientierung, Konfliktbewältigung, Sozialkompetenz oder Computer-Training vor. „Die Angebote selbst finden dann aber bei uns statt, das ist uns ganz wichtig“, erläutert Tobias Klug. 300 bis 400 Jugendliche besuchen das Weigle-Haus in der Woche, schätzt Leiter Zwick.
Die Bandbreite der Jugendarbeit im Weigle-Haus ist groß: Zwei Streetworker, darunter ein Boxer auf dem Weg zum Profi, kümmern sich auf der Straße und in der Sporthalle um Jugendliche, oft mit Migrationshintergrund. „Manchmal arbeiten sie sonntags mit 80 Jugendlichen aus 30 Nationen, spielen Fußball oder Basketball, machen Fitnesstraining oder boxen“, so Rolf Zwick. „Natürlich erreichen wir damit ganz andere Leute als mit unseren Jugendgottesdiensten.“
Mit kirchlichen und öffentlichen Zuschüssen allein könne das alles nicht finanziert werden, sagt der Leiter. „Rund die Hälfte unseres Jahresetats von 800 000 Euro kommt aus Spenden von Privatpersonen und aus der Wirtschaft“, so der Pfarrer.