Rüttenscheid. . Nach 42 Jahren als Friseur an der Dorotheenstraße legt Werner Cichon die Schere aus der Hand. Auch seine Frau Barbara freut sich auf den (Un-)Ruhestand.

„Das hat in den vergangenen Wochen schon ein paar Tränen gegeben.“ Werner Cichon, seit 42 Jahren Friseur an der Dorotheenstraße, ist ganz gerührt, wenn er von den Reaktionen seiner Kunden berichtet. Eigentlich setzt der Friseurmeister auf Wohlfühlatmosphäre. Doch diese Nachricht kann er seinen Kunden nicht ersparen: Am Samstag, 26. März, legen er und seine Frau Barbara, beide in Rüttenscheid längst eine Institution, die Schere aus der Hand. Ab 13 Uhr feiert das Ehepaar bei Sekt und Fingerfood mit den Kunden seinen Wechsel in den (Un-)Ruhestand.

„Meine Tochter ist durch das Geschäft früher zu kurz gekommen. Jetzt freue ich mich auf die Zeit mit den Enkeln“, sagt Cichon, der sich seit über 30 Jahren in der Friseur-Innung engagiert. Auch für sein Hobby, die Fotografie, wird er in Zukunft mehr Zeit haben. „Eigentlich wäre ich gern Journalist geworden“, sagt er. Doch es kam anders. Sein Vater, der eine Straßenecke weiter 20 Jahre sein Friseurgeschäft führte, starb früh. Cichon hatte keine Wahl: Er musste die Familie ernähren, übernahm das Geschäft und durfte mit Sondergenehmigung 1968 frühzeitig seine Meisterprüfung ablegen.

Ausbildung war für Werner Cichon immer ein Thema. Rund 30 junge Leute erlernten in seinem Geschäft das Friseurhandwerk, nahmen erfolgreich an Wettbewerben teil,

Nicht nur die Rüttenscheider ließen sich gern die Haare bei Werner Cichon schneiden. Auch zahlreiche Prominente fanden den Weg in den gemütlich eingerichteten Salon mitten im Wohngebiet. Nicht nur in die Vorstandsetagen von RWE und Thyssen reichten Cichons Kontakte. Auch bekannte Politiker wie Rainer Barzel, Norbert Blüm oder Ernst Albrecht, damals Ministerpräsident von Niedersachsen und zu Gast auf dem CDU-Parteitag, ließen sich gern von Werner Cichon verschönern. „Barzel war jovial-verbindlich, Blüm lustig und Herrn Albrecht habe ich erst mal darauf angesprochen, dass der Staat den Kleinunternehmern so manchen Stein in den Weg gelegt hat“, blickt Cichon zurück. Albrecht habe dann in der Tat den Chauffeur erst mal weggeschickt und sich die Sorgen des Rüttenscheider Friseurs angehört. Dass Hobbyfotograf Cichon ihn dann auch noch ins rechte Licht rückte, versteht sich von selbst. Für Nachbarn und andere Kunden sei es allerdings oft befremdlich gewesen, dass die Sicherheitsleute der Politiker mit der Maschinenpistole unterm Jackett vor dem Geschäft auf und ab gegangen seien, schmunzelt Cichon.

„Ich war immer Friseur mit Leib und Seele“, sagt Cichon, der froh ist, mit Odilia Kara eine innovative Nachfolgerin gefunden zu haben, die langjährige Erfahrungen aus ihrem Friseurgeschäft „Wächst doch wieder“ im Südviertel mitbringt. Auch zwei der drei bisherigen Mitarbeiterinnen übernimmt die neue Chefin. „Wenn sie ruft, helfe ich natürlich aus“, lacht Cichon. Nein, ein reiner Gelderwerb sei sein Beruf nie gewesen. Den Kindern habe er mit Gummibärchen und Plätzchen die Angst vorm Haareschneiden genommen und den Kopf mit der Geschichte von der kleinen Maus, die auf dem Boden läuft, in schnittgerechte Position gebracht.

„Irgendwie ist man als Friseur auch Seelsorger. Man muss aber wissen, wann man besser schweigt als gute Ratschläge zu geben.“ Kunden, die ins Krankenhaus oder Altenheim mussten, ließ Cichon nie im Stich - und wird sie auch in Zukunft weiter bedienen. Denn so ganz kann Cichon die Schere dann doch nicht aus der Hand legen.