Bredeney. .

Schüler und Senioren können wunderbar voneinander lernen. Das zeigte ein Projekt der Goethe-Schule.

Rosemarie Marx (76) ist als Jugendliche gern Rollschuh gelaufen auf der Frankenstraße, „immer mit den anderen Mädchen in Ketten, wir nahmen uns an die Hände, denn Autos gab es damals noch nicht.“ Das können sich Gero und Arne (beide 14) fast nicht vorstellen: Dass man auf der Frankenstraße mal Rollschuh laufen konnte.

Die Klasse 9a des Goethe-Gymnasiums hat jetzt ein ungewöhnliches Projekt abgeschlossen: Sechs Wochen lang erkundeten 28 Schüler die Biografien von Senioren aus dem Stadtteil unter dem Titel: „Als ich damals 15 war“. „Das Erstaunlichste daran ist“, hat Schüler Gero erkannt, „dass die Jugendlichen damals völlig anders aufwuchsen“.

Den Kontakt zwischen Schülern und Senioren vermittelte das Familienzentrum Am Brandenbusch. „Viele Senioren kommen regelmäßig zu Vorträgen und Lesungen“, berichtet die Leiterin der Einrichtung, Kathrin Becker. Interessierte Senioren lernten die Schüler dann bei einer ersten Begegnung kennen, schnell waren Teams gebildet – zwei Schüler, ein Senior.

„Das Projekt ersetzt eine gesamte Unterrichtsreihe. Am Ende soll aus den Texten ein Buch entstehen. Anstelle einer Klassenarbeit“, berichtet Deutsch-Lehrer Michael Franke. Besondere Anleitungen erhielten die Schüler nicht, außer: „Sie sollten Fragen stellen, wie das Leben der Senioren war, als sie so alt waren wie die Schüler heute.“ Manche trafen sich mehrere Nachmittage im Eiscafé, andere trafen sich zu Hause.

„Es gab überhaupt keine jungen Lehrer, die waren immer alt“, hat Schüler Gero aus den Erzählungen von Rosemarie Marx geschlussfolgert. Die Jugend der Bredeneyerin war vom Krieg geprägt: „1943 zogen wir weg, wegen der schlimmen Bombenangriffe.“ Erst ging es nach Dresden, später aufs Land, ins Oberbergische. 1949 kehrte Rosemarie Marx ins zerstörte Essen zurück. „Es war ein deprimierender Anblick, aber wir haben trotzdem Völkerball gespielt auf der Straße.“

„Wir können heute höchstens im Garten Ball spielen“, konstatieren die Schüler Gero und Arne. Ein Besuch im Kino war für Rosemarie Marx das Größte, nicht immer wussten die Eltern davon, sie schwärmte für Johannes Heesters und Marika Rökk.

Ein eigenes Fahrrad besaß Rosemarie Marx nicht; sie hatte sich ihres zu teilen mit der sechs Jahre älteren Schwester. „Das wäre heute undenkbar“, finden die Schüler. Gero berichtet, dass seine kleine Schwester manchmal die Sachen übernehmen muss, die ihm, Gero, zu klein werden – aber das ist es dann auch schon. Ein eigenes Fahrrad? „Klar hat jeder bei uns ein Fahrrad.“ – „Damals ist bei uns nicht so viel geklaut worden“, glaubt Rosemarie Marx. Und überhaupt: „Vermisst“, sagt sie, „haben wir nichts“.

Während des Projekts sei der Seniorin klar geworden, dass sie ihre Biografie dringend mal aufschreiben sollte. „Für meine Kinder und Enkelkinder.“

PS: Die Leidenschaft fürs Rollschuh fahren kennt übrigens kein Alter. Rosemarie Marx besitzt heute ein Paar moderner Inline-Skates. – „Inline-Skates“, wundern sich die beiden Jungen vom Goethe-Gymnasium da, „die haben ja selbst wir ja nicht“.