Südostviertel. Premiere im „Storp 9”, dem Haus für Bildung und Kultur am Storpplatz: Erstmals nahmen 30 Jugendliche der Förderschule „Steeler Tor” an einem Planspiel teil, in dem sie sich den Anforderungen des Lebens nach der Schule stellen mussten.

Jobsuche, Vorstellungsgespräche, Arbeitsalltag, der Gang zum Job-Center, Anträge auf Arbeitslosengeld oder Hartz IV, Eröffnung eines Kontos, Bewerbung um eine Wohnung, gesunde Ernährung und der Umgang mit Geld: Auf die Jugendlichen warten in naher Zukunft Herausforderungen, die sie jetzt spielerisch schon einmal testen konnten.

Die 15- bis 17-Jährigen wurden in Kleingruppen zu acht bis zehn Schülern aufgeteilt und starteten dann zum zweieinhalbstündigen „Parcours des Lebens”. Ganz bewusst wollten die Organisatoren den Teilnehmern Steine in den Weg legen. „Das Leben ist nicht eitel Sonnenschein”, betont Florian van Rheinberg, Mitarbeiter des Jugendamtes und Hausleiter im „Storp 9”. Die Jugendlichen, oft mit Migrationshintergrund, sollten erfahren, wie wichtig es ist, pünktlich zum Job zu erscheinen, ordentlich gekleidet zu sein und vieles mehr. „Wenn wir in der Schule einen zweistündigen Vortrag zu diesen Themen anböten, würden die Jugendlichen die Aufmerksamkeit so lange gar nicht halten können. Hier beim Spiel sind sie dagegen engagiert bei der Sache”, so van Rheinberg.

Echte Experten - sei es von Allbau, Sparkasse, Jugendhilfe, Bürgerinitiative, Jugendmigrationsdiensten, Caritas oder Job-Center - sowie Bezirksbürgermeister Peter Valerius als „Arbeitgeber” - machten beim Planspiel mit und simulierten die Situationen. „So verbinden die Jugendlichen gleich echte Gesichter mit echten Institutionen”, freut sich der Hausleiter.

Jeder Jugendliche erhielt am Anfang 50 Euro Startkapital und einen Klemmordner mit seinen „persönlichen” Daten. Diese spielten an den Stationen eine wichtige Rolle: Manchmal gab's bei der Wohnungsberatung eine passende Bleibe, manchmal auch nicht. „Die Jugendlichen, die Arbeit bekommen haben, können sich eventuell eine kleine Wohnung leisten, die von ALG I, II oder Hartz IV leben, eher nicht”, erklärt van Rheinberg. Arbeiten gehen, Miete zahlen, Wohnung kündigen - was das Erwachsenenleben so bringt, konnten die Jugendlichen üben.

Fast echte Antragsformulare stellten die Schüler vor Probleme. „Wir haben die Formulare ein bisschen abgespeckt, sonst würde es zu lange dauern”, schmunzelt Florian van Rheinberg. Ganz schön stressig war der Vormittag für die Schüler, denn nicht nur Warteschlangen vor Arbeits-, Wohnungs- oder Migrantenberatung nervten - wie im richtigen Leben halt -, sondern auch die Vorgabe, sich regelmäßig jede Viertelstunde am „Kiosk des Lebens” zu versorgen. 15 Minuten standen im Spiel für eine Lebenswoche.

„Die Jugendlichen müssen hier auch Essenspakete kaufen, die es in vier verschiedenen Preislagen - kalte Mahlzeiten, warme Mahlzeiten, Ergänzung durch zwei Restaurantbesuche - zu kaufen gibt”, erklärt Barbara Graf von der Bürgerinitiative Südostviertel, Graf schob gemeinsam mit Jugendhilfe-Praktikant Timm Riesel im „Kiosk” Dienst. Die meisten Jugendlichen hätten das „kalte”, billige Paket gewählt, aber eine Schülerin wollte sich schon mal etwas gönnen und legte Wert auf die Restaurantbesuche.

Am „Kiosk” warteten auch „Schicksalsschläge” in Form von kleinen Papierkärtchen auf die Teilnehmer. „Jeder muss einmal und kann mehrmals ziehen, was viele nicht tun, weil die Kärtchen ja nicht nur Chancen, sondern auch Risiken bergen”, sagt Graf.

Die Kärtchen hatten es in sich: „aus Versehen” ein Zwei-Jahresabo für eine Zeitschrift unterschrieben, Geld verliehen, Kredit fürs neue Auto oder die Anzahlung für den lang ersehnten Urlaub leisten, ungewollt schwanger werden, aber auch Positives wie Fahrtkostenerstattung oder gar Lottogewinn - vor Überraschungen war niemand sicher.

Ganz oben warteten die Arbeitsstationen: Kleine Aufgaben waren in Bäckerei, Gärtnerei, Werbeagentur, Schneiderei, Hotel oder Elektro-Betrieb zu erledigen. Wer nicht pünktlich war, konnte den heiß ersehnten Job ganz schnell wieder verlieren.

Gleich am Anfang ergab sich ein Problem, mit dem die Mitarbeiter so nicht gerechnet hatten. Alles sollte nach Zeitplan verlaufen, aber nur wenige Schüler trugen eine Uhr. Am Ende des Spiels gab es keinen Sieger, sondern eine persönliche Auswertung des Erlebten. „Wir wollen mit den Jugendlichen in der Gruppe reflektieren, was gut war und wo es Probleme gab”, betont van Rheinberg. Schließlich wolle man den Jugendlichen Orientierung und Sicherheit geben.