Haarzopf.

Großvater Alfred und Vater Helmut Neuse waren Pfarrer in Haarzopf, und auch Ulrich Neuse ergriff den theologischen Beruf.

„Unsere Mutter musste immer aufpassen, dass er nicht noch die letzten Groschen verschenkte“, erinnert sich Ulrich Neuse. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, als er über seinen Vater Helmut spricht. „Es ging ihm nicht um Ämter, sondern immer um die Menschen.“ In diesem Jahr feiert die evangelische Kirche in Haarzopf ihr 100-jähriges Bestehen. Ein Mann, der die Gemeinde über Jahrzehnte maßgeblich prägte war Helmut Neuse. Noch heute erinnern sich viele Haarzopfer Bürger gerne an ihren legendären Pfarrer. Im Juni wäre er 100 Jahre alt geworden.

Das Licht der Welt erblickte Helmut Neuse am 21. Juni 1910. Auch sein Vater war schon als Kirchenmann tätig. Der „Alfred-Neuse-Weg“ erinnert heute an den ersten Pfarrer der Gemeinde, der sich auch als Heimatforscher einen Namen machte. „Meine Großeltern Alfred und Klara wohnten damals noch in der Schule an der Raadter Straße, bis die Kirche und das Gemeindehaus gebaut wurden“, erzählt Ulrich Neuse. „Dort wurde auch mein Vater geboren.“

Nach seinem Theologiestudium in Marburg, Bonn und Königsberg kam Helmut Neuse zurück nach Essen und wurde Hilfsprediger in Rellinghausen. Es folgten schwierige Jahre, die nachhaltigen Einfluss auf das Leben des Geistlichen hatten. Kurz nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten war auch die evangelische Kirche von der Gleichschaltung bedroht.

Neuse war mit der Kirchenpolitik und dem Totalitätsanspruch des NS-Regimes nicht einverstanden und traf die Entscheidung, in die „Bekennende Kirche“ (BK) einzutreten. Diese Oppositionsbewegung einiger evangelischer Christen wollte sich nicht der nationalsozialistisch orientierten Reichskirche anschließen. Sie weigerten sich, die Verfälschung christlicher Lehren durch die Nationalsozialisten anzunehmen. Anhänger der „Bekennenden Kirche“ wurden aber häufig in ihrer Arbeit behindert, verhaftet, unter Hausarrest gestellt oder erhielten Redeverbot.

„Er stellte sich die Frage: Wofür entscheide ich mich? Seine Hinwendung zur Bekennenden Kirche hat ihn bis ins hohe Alter geprägt“, meint Sohn Ulrich Neuse. „Diese Erfahrungen haben ihn nie losgelassen.“

Da der Pfarrer nun kein Gehalt mehr bekam, war die Familie auf Hilfe angewiesen. „20 Familien im Ort haben sich damals bereit erklärt, uns mit Geld und Lebensmitteln zu unterstützen. Nur so konnten wir diese Zeit überstehen.“ Doch der Druck wuchs stetig weiter. Während des Zweiten Weltkrieges wurde Neuse schließlich zum Militärdienst eingezogen. Stationiert war der Geistliche in Frankreich.

Nach Kriegsende 1945 kehrte er zurück in die Heimat. Helmut Neuse wurde Pfarrer in Haarzopf und damit Nachfolger seines Vaters. Er setzte sich schwerpunktmäßig für die Ökumene ein. Auch die Jugendarbeit lag ihm am Herzen. Der Vater von sechs Kindern führte die Tradition des dreiwöchigen Zeltlagers ein. „Es gab in der Nachkriegszeit kein Kind, das nicht mindestens einmal teilgenommen hat. Das war das Highlight des Jahres“, weiß Ulrich Neuse. Mit aller Kraft unterstützte er auch das Friedensdorf in Oberhausen. „Er war sehr zielstrebig und bescheiden, seiner Linie blieb er immer treu“, erinnert sich der Sohn. „Mein Vater kümmerte sich um die Menschen. Für seine Gemeinde hätte er alles gegeben.“

In dieser Zeit hatte die Kirche einen hohen Stellenwert für die Menschen. Neben den Sportvereinen wurden Kirche und Gemeindehaus zum Treffpunkt für den ganzen Stadtteil. Dabei konnte sich der Pfarrer auf ein gutes Team verlassen. „Die Gemeindeschwestern waren immer sehr engagiert und haben super mitgearbeitet“, betont der 65-jährige Ulrich Neuse, der genau wie sein Großvater und Vater Pfarrer wurde und heute in Gerschede lebt.

Helmut Neuse ging 1977 in Pension. Bis ins hohe Alter engagierte er sich für die Menschen in seiner Gemeinde. Im Alter von 97 Jahren starb er in Haarzopf, in dem Stadtteil, dem er sein Leben lang treu geblieben ist. Die Bürger vor Ort erinnern sich noch heute gerne an den engagierten Pfarrer, der sie und das Leben der evangelischen Gemeinde so viele Jahre begleitet hat.