Essen. .

1939 mussten die Mendels ihre Heimatstadt Essen verlassen - 70 Jahre später erinnern Gedenktafeln an ihre Flucht vor den Nationalsozialisten. „Essen wird nie mehr meine Heimat“, sagt die 74-Jährige Ellen Mendel, „aber ein Zuhause habe ich hier wieder gefunden.“

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Von DerWesten

Ellen Mendel war drei Jahre alt, als sie ihre Heimatstadt Essen verlassen musste, ein kleines Mädchen „vertrieben von Hass“, wie sie sich erinnert. Gut 70 Jahre später steht sie vor ihrem Elternhaus an der Zweigertstraße 31 in Rüttenscheid und fühlt sich „von Liebe umgeben“. Zu verdanken ist das fünf Messingtafeln und vielen Menschen, die für die Verlegung dieser „Stolpersteine“ gekämpft haben.

Eingelassen ins Trottoir erinnern die Tafeln an Ellen Mendels Großeltern Isaac und Rosa, an ihre Eltern Ernst und Jella sowie an sie selbst, an das Mädchen, das fliehen musste, weil es ein jüdisches Mädchen war. Ihre Eltern gingen nach Belgien und von dort in die USA. Die Großeltern flohen in die Niederlande und boten an, die Enkelin zunächst dort bei sich zu behalten. „Damit sich meine Eltern in der neuen Heimat einrichten könnten.“ Doch der Vater entschied: „Wo wir hingehen, geht Ellen mit.“

So sagten die drei den Großeltern Mendel „Auf Wiedersehen“ und wussten nicht, dass es kein Wiedersehen geben würde. Es war der grausame Schlusspunkt unter eine Familiengeschichte, die über Generationen mit Essen verbunden war. Zuletzt durch Ellens Vater, der als Arzt gearbeitet, die Familie Krupp behandelt hatte. „Er sagte immer: Ich gehe nie wieder in ein Land, das uns rausgeschmissen hat.“

Reise in die eigene Geschichte

Seiner Tochter aber gab der Vater die deutsche Sprache und Kultur mit. Er sollte nicht mehr erleben, dass sie - erstmals 1985 - nach Essen reiste. Dass sie dort die Synagoge entdeckte und das Elisabeth-Krankenhaus, in dem sie geboren wurde. Seit der ersten Reise in die eigene Geschichte ist Ellen Mendel immer wieder gekommen, hat vor Schulklassen vom Schicksal ihrer Familie erzählt. Eine Zeitzeugin, die selbst „dankbar war, mit den Deutschen über die Vergangenheit zu sprechen“.

Das Berufskolleg im Bildungspark, in dem sie mehrfach zu Gast war, der Verein Justiz und Kultur in Essen und das Landgericht haben nun die Verlegung der Stolpersteine und eine Feierstunde im Gerichtsgebäude an diesem Mittwoch möglich gemacht.

Ellen Mendel erinnert sich vor ihrem Elternhaus daran, wie ihr Vater von der Gestapo verhört wurde. „Wenn er wüsste, dass der Name Mendel jetzt wieder einen guten Klang hat in Essen, würde er sagen: Das gehört sich auch so.“

Passanten werden sich beim Lesen der Tafeln fragen, was aus der einst vertriebenen Familie Mendel wurde. Ellen Mendel ist Psychologin und Präsidentin des Alfred-Adler-Instituts, sie lebt in New York. „Essen wird nie mehr meine Heimat“, sagt die 74-Jährige: „Aber ein Zuhause habe ich hier wieder gefunden.“