Essen-Stadtwald. Der Essener Stadtwaldplatz ist ein Verkehrsknotenpunkt. Die gestaltete Fläche hat Aufenthaltsqualität, wird aber wenig genutzt. Ideen gefragt.
Der Stadtwaldplatz war und ist das Zentrum des Stadtteils – auch wenn er ein bisschen mehr Leben vertragen könnte. Erst Kreuzung, dann Straßenbahnschleife, heute eigentlich ansprechend gestaltet, aber ein nicht allzu gut angenommener Treffpunkt. Das war in der Vergangenheit ganz anders.
Bei schönem Wetter lässt es sich auf dem Stadtwaldplatz trotz der nahen Frankenstraße und des riesigen Kreisverkehrs, der die Autos Richtung Ruhr und Baldeneysee verteilt, recht angenehm sitzen, auf einer öffentlichen Bank oder im Außenbereich der Café-Bar Carlo, vormals Bar S6.
Der Markt bietet mit seinen wenigen Ständen ein trauriges Bild
Ein trauriges Bild bietet dagegen der Markt, der zwar immer noch dienstags und freitags stattfindet, aber mit ein bis drei Ständen keine große Auswahl bietet. Alle Bemühungen, mehr Händler und damit mehr Kunden auf den Markt zu locken, scheiterten bisher.
Mit der Geschichte des Stadtwaldplatzes hat sich Johannes Stoll, langjähriger Vorsitzender der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald, beschäftigt. Der Stadtwaldplatz in seiner heutigen Form sei ja noch recht jung. „Viele Jahrhunderte lang nur eine kleine Wegekreuzung, die untergeordnete Pfade an die 1848 bis 1851 gebaute Kunststraße von Bredeney nach Steele anschloss, wurde er erst nach Ende der Zeche Neu-Essen IV zu einem Platz hergerichtet“, so Stoll.
Tunnel unter dem Stadtwaldplatz
Unterirdisch in Nord-Süd-Richtung verläuft die Bahnstrecke Essen-Hauptbahnhof – Villa Hügel, später verlängert bis Kettwig, die jetzt in Düsseldorf endet. Der 1877 fertiggestellte Tunnel unter dem Stadtwaldplatz, zum Teil noch von französischen Kriegsgefangenen aus dem Krieg 1870/1871 aus dem Gestein geschlagen, sei später Richtung Süden verlängert worden, um eine neue Straßenführung zu ermöglichen, so Stoll.
Die Eisensteinzeche Neu-Essen IV nahm 1867 die Förderung auf, stellte den Betrieb allerdings endgültig 1899 ein. „Die Deckel der verfüllten Schächte sind noch auf dem Gehweg an der Bushaltestelle Heisinger Straße/Frankenstraße zu sehen“, erläutert Stoll. Nach Abbruch der Zechengebäude habe der Freiherr von Vittinghoff-Schell das ehemalige Zechengelände zurückerhalten. Auf seinem Grundstück hätten 24.000 Kubikmeter Haldenmaterial gelagert, die abgetragen und zum Bau eines Platzes aufgeschüttet worden seien. „Der Start des heutigen Stadtwaldplatzes war damit erfolgt“, erklärt Stoll.
Ab 1905 sei oberhalb des Platzes an der Girondellen-, Goldfink- und Geitlingstraße eine Villensiedlung entstanden, die über die Leveringstraße an die Hauptstraße, seit 1915 Frankenstraße genannt, angeschlossen worden sei. Der Ostrand des Stadtwaldplatzes war damit festgelegt. Die Frankenstraße selbst, in Ost-West-Richtung verlaufend, sei der Stammesgrenze der Franken und Sachsen (Rheinländer und Westfalen) gefolgt, wie in dem Buch „Essener Straßen“ nachzulesen sei.
Straßenbahn aus Rüttenscheid
„1914 erreichte die aus Rüttenscheid kommende Straßenbahn diesen noch unfertigen Platz auf dem Weg zum Rellinghauser Stiftplatz. Der Nordrand war punktuell schon bebaut mit der markanten Gaststätte Veith als städtebaulichem Schlusspunkt. Den südlichen und größeren Teil des späteren Stadtwaldplatzes nahm ein Fußballfeld ein, der auch als Aufstellfläche für Zirkuszelte diente“, hat der ehemalige Bürgerschaftsvorsitzende recherchiert.
Der Krieg habe die Verlängerung der Bahnstrecken nach Heisingen und zum Baldeneysee verhindert. Stoll: „1941 befand sich dort die einzige Gastankstelle für die mit Gas betriebenen Busse der Süddeutschen, heutigen Ruhrbahn, ein grüner Vorreiter, sozusagen. Der eigentliche Grund war aber Strommangel.“
Nach Kriegsende sei die erste in Betrieb genommene Straßenbahnlinie in Rellinghausen das Provisorium Steele – Stadtwaldplatz gewesen. Erneut Vorreiter in Sachen Technik sei dann der sogenannte O-Bus gewesen. „Zwischen 1949 und 1957 verkehrten auf der Buslinie nach Heisingen ab dem Stadtwaldplatz diese elektrogetriebenen Busse, um danach von Anderthalbdeckern abgelöst zu werden“, schreibt Stoll.
Postgebäude entstanden in den 1950er Jahren
In den 1950er Jahren sei die Bebauung des Südrandes des Stadtwaldplatzes mit Postgebäuden erfolgt. Ab 1957 sei der Platz dann großzügig umgebaut worden mit Gleisschleife und dreigleisiger Haltestellenanlage. Auf der Nordseite habe Konditor Sprenger in eine Baulücke sein bis heute existierendes Café als Ersatz für das in Rüttenscheid den Bomben zum Opfer gefallene Stammhaus gebaut. Damit sei auch erstmals von einem Platz die Rede gewesen, da nun an vier Seiten eine Bebauung den Platz gestaltete.
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Dieser Zustand währte laut Stoll bis 1986, dem Jahr, in dem die Straßenbahnlinie nach Rellinghausen eingestellt wurde. Das war gleichzeitig der Start für eine langjährige Diskussion über eine Bebauung des Stadtwaldplatzes. Und wieder sei in diesem Bereich ein Vorreiter in Sachen Fahrzeugtechnologie an den Start gegangen. Ab Stadtwaldplatz fuhren die Elektrospurbusse, deren Betrieb einige Jahr später aber wieder eingestellt wurde. Am Platzrand informiert eine Tafel der Bürgerschaft über die ehemalige Zeche Neu-Essen IV.
Dass der eigentlich attraktiv gestaltete und trotz der Kreuzungssituation vom Verkehrslärm einigermaßen abgeschirmte Stadtwaldplatz derzeit eher ein „Kummerdasein“ fristet, ärgert Sven Köhler, CDU-Ratsherr für Stadtwald. „Der Markt hat nur noch ein oder zwei Stände, was sehr schade ist“, findet er. Um den Stadtwaldplatz wieder ins Bewusstsein der Bürger zu rücken und zum Treffpunkt zu machen, plane die CDU für den Herbst eine Ideenwerkstatt, bei der die Bürger ihre Vorstellungen einbringen sollen. Wie genau der Workshop ablaufen werde, sei auch abhängig von der Corona-Situation.
Sitzgelegenheiten und Bepflanzung
„Es ist nicht sinnvoll, dass die Politik irgendetwas vorgibt, was gar nicht im Interesse der Bürger ist. Die Bürger sollten so früh wie möglich eingebunden werden“, so Köhler. Einige Bereiche, wie die Wasserspiele im südlichen Teil des Platzes, würden von Kindern gut angenommen, hat er beobachtet. Vielleicht könne man etwas in Sachen Bepflanzung ändern. Und: „Im Moment gibt es auf der einen Seite alte und auf der anderen Seite neue Sitzgelegenheiten. Das könnte man vereinheitlichen.“
Langjähriger Bewohner des Stadtteils vermisst weihnachtlichen Schmuck
Seit 55 Jahren lebt Paul Weber in Stadtwald, kennt den Platz über viele Jahre. „Optisch gibt es da eigentlich nichts zu kritisieren, aber leider mangelt es an Veranstaltungen, die den Platz beleben könnten. Ich könnte mir dort im Advent gut einen Weihnachtsbaum vorstellen“, sagt Weber, der im Vorstand der Bürgerschaft Rellinghausen-Stadtwald aktiv ist. Auch er würde sich ein größeres Angebot an Ständen zu Marktzeiten wünschen.
Leider höre man von der Werbegemeinschaft nichts mehr, die sich zum Beispiel darum kümmern könnte, für vorweihnachtliche Stimmung rund um den Stadtwaldplatz zu sorgen. „Geeignet wäre der Platz auf jeden Fall.“ Im Umfeld gebe es keine Dreckecken und keine Leerstände, aber reichlich Gastronomie wie das Café Sprenger, das türkische Restaurant Bosporus und die Café-Bar Carlo mit großem Außenbereich direkt auf dem Platz.
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Für Patricia Silberbach vom Café Sprenger an der Frankenstraße verdient der Stadtwaldplatz nach dem Umbau vor Jahren seinen Namen heute nicht mehr. „Früher konnte man dort in einem Teilbereich parken und der Platz hatte trotzdem Aufenthaltsqualität, zum Bespiel zu Marktzeiten. Heute ist der Markt quasi tot. Auch das große Gebäude hätte man sich sparen können“, findet sie. Der Durchgangsverkehr habe stark zugenommen, die Kunden fänden kaum Parkplätze, kritisiert sie.
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