Essen-Haarzopf. Eine Haarzopfer Pfarrerin kennt die seelische Not von Trauernden, die im kleinen Kreis ohne Händedruck und Umarmung Abschied nehmen müssen.
Einsam sterben, einsam trauern: Von der Corona-Krise sind selbst die zutiefst emotionalen Augenblicke im Leben eines Menschen betroffen. Elisabeth Müller, evangelische Pfarrerin in Essen-Haarzopf, kennt die seelische Not von Angehörigen, die ohne Trauergemeinde Abschied nehmen müssen und spricht über ihre Erfahrungen. Sie hat deshalb zwei Online-Trauergottesdienste veröffentlicht, die zu Hause mitgefeiert werden können.
Für Elisabeth Müller erfordert der Umgang mit der neuen Situation sehr viel Fingerspitzengefühl. Sie versuche, jedem Verstorbenen einen würdigen Abschied zu ermöglichen, was aktuell nicht immer leicht sei. Es dürften ja nur Angehörige ersten Grades, Partner und Geschwister bei der Beerdigung anwesend sein. Das könnten fünf, sechs Trauernde sein, aber unter Umständen auch nur einer. Der stehe dann einsam am Grab, ohne den gerade in einer solchen Situation notwendigen seelischen Beistand, sagt die Pfarrerin. Sie erinnert sich an eine Beerdigung, bei der es nur noch den Sohn als nächsten Angehörigen gegeben habe. Da überlege man schon, ob nicht dessen Familie auch hätte dabei sein können, so Elisabeth Müller.
Bei jüngeren Verstorbenen war die Kirche früher oft sehr voll
Sterbe jemand im sehr hohen Alter, kämen meist sowieso nicht allzu viele zur Beerdigung. Ganz anders sei es ihrer Erfahrung nach bei Menschen, die deutlich jünger verstürben. „Da gibt es die Familie, den Freundeskreis, Arbeits- und vielleicht Vereinskollegen. Da habe ich schon eine richtig volle Kirche erlebt“, erinnert sich die Pfarrerin.
In Corona-Zeiten mute diese Erinnerung an wie aus einer anderen Welt: „Wir dürfen die Kirche ja nicht mehr nutzen, was ich sehr traurig finde. Unsere Kirche in Haarzopf ist so groß, dass man die Teilnehmer auch angesichts des gebotenen Abstands so weit auseinandersetzen könnte, dass man die Ansteckungsgefahr minimieren könnte“, findet die Pfarrerin. Derzeit müssten die Trauernden ohne tröstende Lieder auskommen, es gebe ja weder Gottesdienste noch Feiern in Trauerhallen.
Was bleibe, sei eine Bestattung im ganz kleinen Rahmen auf dem Friedhof. „Unser Organist begleitet die Beerdigung auf dem Akkordeon“, sagt Elisabeth Müller. Sie versuche schon, eine persönliche Rede zu halten. „Aber bei Regen versteht man mich draußen auf diese Distanz kaum.“ Das sei für sie und die Trauernden eine sehr unangenehme Situation.
Auf die Haarzopfer Pfarrerin kommt nach der Corona-Krise viel Arbeit zu
Die Haarzopfer Pfarrerin sieht nach der Corona-Krise viel Arbeit auf sich zukommen. Nicht nur die Konfirmationen in der Gemeinde seien ja verschoben, sondern auch etliche Trauungen. „Und viele Menschen, die jetzt nur eine Beerdigung im allerengsten Kreis hatten, wollen den Trauergottesdienst später nachholen.“ Anderen wiederum reiche die kleine Trauerfeier.
Im Klinikum dürfen Sterbende besucht werden
Besonders schlimm ist für Pfarrerin Elisabeth Müller die Vorstellung, dass man mit Corona infizierte sterbende Angehörige nicht mehr besuchen und sie auch nicht mehr sehen könne, wenn sie verstorben seien. Um Ansteckung zu vermeiden, würden die Toten sofort verbrannt. Aus Italien seien solche Fälle bekannt.
Im Essener Uniklinikum verfahre man in der Regel anders, so ein Sprecher. In die Pathologie dürften Angehörige aus Infektionsschutzgründen in einem solchen Fall nicht mehr. Sterbende auf der Intensivstation dürften von den nächsten Angehörigen besucht werden, es sei denn, diese würden selbst unter Quarantäne stehen. Es müsse dabei allerdings entsprechende Schutzkleidung angelegt werden.
Um allen, die nicht mit auf den Friedhof dürften, eine Möglichkeit zu geben, für sich zu trauern, habe sie zwei Trauergottesdienste aus der evangelischen Kirche Haarzopf – für eine Frau und einen Mann, jeweils ohne Namen – ins Internet gestellt. „Die sind schon 50 Mal angesehen worden. Der Bedarf ist offenbar da“, sagt Elisabeth Müller.
Viele Angehörige leiden unter dem fehlenden körperlichen Trost
Für Friederike Seeliger, Krankenhaus-Seelsorgerin am Universitätsklinikum, ist es das Schlimmste, dass aufgrund des Abstandsgebots weder Händedruck noch Umarmung möglich seien und auch bei Gesprächen über eine Distanz von zwei Metern die Innigkeit fehle. „Die Angehörigen von Verstorbenen müssen gerade weitgehend auf körperlichen Trost verzichten“, sagt sie.
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Auch für Freunde, die nicht zur Beerdigung zugelassen seien, sei es oft schwer, den gemeinsamen Weg mit dem Verstorbenen nicht zu Ende bringen zu können, indem man an der Beerdigung teilnehme. Es sei aber auch die Zeit für kreative Lösungen. So habe ein Witwer Freunde und Angehörige gebeten, eine Kerze für seine Frau anzuzünden und ein Bild davon zu schicken – was auch viele getan hätten.
Kondolenzschreiben gewinnen an Bedeutung
Wenn persönliche Gespräche auf dem Friedhof nicht möglich seien, könne man auf das traditionelle Kondolenzschreiben zurückgreifen – so hätten die nächsten Angehörigen auch später noch eine Erinnerung. Schade sei allerdings, dass angesichts der Bestimmungen die Trauer nicht aufgelöst werden könne – zum Beispiel beim klassischen Beerdigungskaffee, bei dem man des Verstorbenen ja auch mit durchaus heiteren Geschichten gedenke.
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