Essen-Bredeney. Die Inhaberin von „Bücher Bredeney“ fürchtet in der Corona-Krise um ihre Existenz. Ihre Tochter schreibt dem NRW-Ministerpräsidenten einen Brief.

Eigentlich macht Petra Weber (56) das, was sie immer tun wollte: Sie führt die Buchhandlung „Bücher Bredeney“ in Essen-Bredeney. Doch durch die Corona-Krise muss sie jetzt um ihre Existenz bangen, und um die ihrer drei Mitarbeiter gleich mit. Tochter Henriette Weber (24) geht das so nahe, dass sie ihren Frust in Worte fasste und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und dem Essener Oberbürgermeister Thomas Kufen einen langen Brief per E-Mail schickte. Darin schildert sie sehr emotional und ausführlich die schwierige Situation ihrer Mutter.

Im Oktober 2015 hatte Petra Weber das Geschäft an der Bredeneyer Straße 140 übernommen, in dem sie schon viele Jahre vorher gearbeitet hatte. Was folgte, war eine unruhige Zeit, denn direkt neben der Buchhandlung wurden der alte Kaiser’s-Supermarkt und etliche Häuser abgerissen und der neue Edeka-Markt plus Wohngebäude neu errichtet. „Von Februar 2016 bis Oktober 2019 hatten wir hier eine riesige Baustelle, die auch viel länger dauerte als eigentlich geplant war“, blickt die Geschäftsfrau zurück.

Bestellservice kann die Verluste nur zu einem geringen Teil auffangen

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„Jetzt wollten wir richtig durchstarten, haben uns auf das Ostergeschäft, was inzwischen schon sehr bedeutend ist, gefreut“, sagt Petra Weber. Nach der harten Baustellenzeit, in der ihr die Stammkunden glücklicherweise die Treue gehalten hätten, habe sie in diesem Frühjahr endlich schwarze Zahlen schreiben wollen. „Doch kurz vorm Übertreten dieser Linie kam der Beschluss, dass sie auf Grund des Corona-Virus ihren Laden nicht mehr öffnen darf, für ihre drei Angestellten Kurzarbeit anmelden muss und nun machtlos dabei zusieht, wie ihre Buchhandlung auf die Insolvenz zusteuert“, schreibt Tochter Henriette Weber an den Ministerpräsidenten.

Ein kleiner Trost sei der Bestellservice, quasi der Buchhandel auf Rädern, den sie jetzt anbiete, so Petra Weber. „Ich nehme morgens von 10 bis 13 Uhr telefonisch oder per E-Mail Bestellungen an, die ich dann nachmittags zu den Kunden nach Hause bringe.“ Von den Kunden habe sie dafür bisher ausschließlich positive Reaktionen bekommen.

Buchgeschäft entstand aus zwei Ladenlokalen

Laut Inhaberin Petra Weber wäre es in ihrem Laden sehr gut möglich, Kunden einzeln zu bedienen, denn das Geschäft bestehe eigentlich aus zwei Ladenlokalen – rechts Bücher für Erwachsene, links für Kinder. Die Räume seien im Nachhinein zusammengefasst worden.

Bücher Bredeney befindet sich an der Bredeneyer Straße 140. Bestellungen sind unter 42 05 47 oder möglich.

Ihre jüngste Tochter Henriette helfe ihr beim Ausliefern. Sie studiert eigentlich Architektur in Braunschweig und wollte nach den Semesterferien eigentlich schon wieder dort sein. Doch jetzt nutze sie die coronabedingte vorlesungsfreie Zeit, um ihre Mutter zu unterstützen. „Ich bin mit und in der Buchhandlung aufgewachsen. Der Laden war immer so etwas wie eine Schwester für mich, die nervig sein kann, die man aber trotzdem liebhat. Sie gehörte halt dazu“, sagt Henriette Weber. Es sei tragisch mit anzusehen, wie der Lebenstraum ihrer Mutter vielleicht bald ausgeträumt sei.

Die Buchhandlung „Bücher Bredeney“ liegt an der Bredeneyer Straße unmittelbar neben dem neuen Wohn- und Geschäftszentrum.
Die Buchhandlung „Bücher Bredeney“ liegt an der Bredeneyer Straße unmittelbar neben dem neuen Wohn- und Geschäftszentrum. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Bücher hätten immer ihr Leben bestimmt, erinnert sich Petra Weber. „Ich habe mit Büchern gelebt, viel gelesen“, sagt die ehemalige Goetheschülerin, die folgerichtig nach der Schule eine Lehre zur Buchhändlerin absolvierte – einen Beruf, den schon ihre Großmutter ausübte. „Ich wusste immer, dass ich irgendwas mit Menschen, Büchern und etwas Kaufmännisches machen wollte. Eine Buchhandlung zu führen, ist da die ideale Kombination“, so Petra Weber.

Buchhandlung war immer Anlaufstelle

Die Buchhandlung in Bredeney, die es schon seit über 50 Jahren gebe, sei für sie immer Anlaufstelle, nicht nur für Schulbücher, gewesen. Sie habe dann zwei Töchter und zwei Söhne bekommen, und als die jüngste Tochter im Vorschulalter war, habe sie in der Buchhandlung in Teilzeit angefangen. „Als meine Tochter dann im Abi stand, wollte meine Chefin aufhören. Damit waren mein Job und die Stellen der anderen Mitarbeiter in Gefahr. Also habe ich mich entschlossen, meinen Lebenstraum zu verwirklichen und den Laden zu übernehmen, auch für das Team“, erinnert sie sich.

Die Zeit der Großbaustelle sei schwierig gewesen

Man müsse mit dem klassischen Buchsortiment sowieso gegen E-Books und Online-Handel ankämpfen. „Zum Glück ist der Standort in Bredeney gut, die Leute lesen hier noch und kaufen auch im Stadtteil“, sagt Petra Weber.

Dass Buchhandlungen hier nicht zur Grundversorgung gehörten und deshalb in der Corona-Krise nicht öffnen dürften, sei für sie nicht nachvollziehbar und ärgere sie. „In anderen Bundesländern geht das doch auch. Und die Schulkinder beispielsweise brauchen ja auch fürs Lernen zu Hause Material.“ Bücher seien eine Art geistige Grundversorgung, erweiterten den Horizont, machten glücklich.

Den April könne man vielleicht noch überstehen

Wie sie die kommenden Wochen oder Monate überstehen soll, weiß Petra Weber noch nicht. „Über den April kommen wir gerade, wenn ich privat Geld dazu tue, der Mai wird schwierig, den Juni schaffe ich nicht mehr“, fürchtet sie das Aus für ihr Geschäft, wenn die Krise noch länger anhält.

Wie dramatisch die Lage für ihre Mutter ist, macht Henriette Weber in ihrem Brief an Armin Laschet deutlich: „Wie Sie bestimmt wissen, bedeutet das vorübergehende Schließen eines Ladens nicht, dass die Zahlungen still stehen. Nein, das tun sie wirklich nicht. Die Miete läuft weiter, der Lohn, auch wenn nur in Teilen, wird weiter ausgezahlt und auch die Verträge mit den Lieferanten müssen weiter fortgeführt werden. Wie soll man diese Kosten begleichen, wenn das Geld das Konto nur verlässt, aber kein neues wieder drauf kommt?“

Ihre Kinder hätten sich alle für andere Berufe entschieden, sagt Petra Weber. „Vom Buchhandel hätte ich ihnen auch abgeraten. So schön der Beruf ist, so schwierig ist es, davon zu leben, gerade in Zeiten wie diesen.“

In den Schlusszeilen ihrer Mail wendet sich Henriette Weber noch einmal ganz persönlich an den Ministerpräsidenten: „Vielleicht sitzen Sie heute Abend mit Ihrer Lektüre in Ihrem Sessel und denken nochmal über die Schließung der Buchhandlungen nach.“

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