Essen-Haarzopf. Die Sportart Prellball ist ein wenig in Vergessenheit geraten. In Haarzopf halten aber noch 19 Männer dem schnellen Rückschlagspiel die Treue.
Der Turnerbund Essen-Haarzopf 1903 bietet seit vielen Jahren Prellball an. Damit ist er einer der wenigen Vereine in Essen, die in dieser Sportart aktiv sind. Und die ist keineswegs ein Rentnersport, wie ein Besuch beim Training zeigt.
Mit der geschlossenen Faust schlägt Heinz Held den orangen Lederball kraftvoll nach unten. Mit einem dumpfen Geräusch titscht der Ball auf den Boden und springt dann mit Wucht ins gegnerische Feld. Nach dem kraftvollen Angriffsschlag rollt der 71-jährige Spieler geschickt nach hinten ab. Der Ball fliegt knapp über das 40 Zentimeter hohe Netz. So dicht über dem Boden können die Gegner das Leder nicht mehr annehmen.
Die Sportart Prellball ist weitgehend in Vergessenheit geraten
Da nutzt selbst der Hechtsprung auf den letzten Metern nichts mehr, mit dem einer die Partie zu retten versucht. Heinz Helds Team erntet einen „Gutpunkt“. Kurze Unterbrechung, dann dürfen die Gegner neu aufschlagen.
Verein engagiert sich vielfältig im Stadtteil Haarzopf
Der Turnerbund Essen-Haarzopf zählt zurzeit 452 Mitglieder. Er wurde im Frühjahr 1903 gegründet. Geboten wird ein breites Sport- und Freizeitangebot, aber auch Geselligkeit wird gepflegt. Gemeinschaftliche Veranstaltungen sollen persönliche Bindungen erhalten oder aufbauen.
Auch im Stadtteil engagiert sich der TB Haarzopf regelmäßig, etwa bei der Aktion „Sauber-Zauber“. Kinder- und Jugendarbeit ist dem Verein ein wichtiges Anliegen. Schulen, die Interesse an einem Besuch der Haarzopfer Prellballer oder an einem Probetraining haben, können sich an Heinz Held wenden. Kontakt: karinheinzheld@unitybox.de.
Das zu den Turnsportarten gehörende Prellballspiel ist auch in Essen weitgehend in Vergessenheit geraten. Nur wenige Vereine bieten es an, wie der Turnerbund Haarzopf 1903. Jeden Mittwoch von 19.45 bis 22 Uhr trainiert die Prellballriege in der Adelkampschule in Frohnhausen.
Prellball sei keineswegs ein Seniorensport
Die Einfachhalle reicht völlig aus. Das Spielfeld misst gerade 16 x 8 Meter und ist damit kleiner als beim Volleyball (18 x 9 Meter). Je vier Männer treten gegeneinander an. „Nein, ein Rentnersport ist Prellball nicht“, sagt Held. Auch wenn das beim TB Haarzopf so aussehe, bei dem die Spieler zwischen 50 und 71 Jahren sind.
Held ist der älteste von ihnen und leitet die Sparte. Das Rückschlagspiel hat er 1965 in der Berufsschule entdeckt und ist davon nicht mehr losgekommen. Prellball soll Mitte der 1920er Jahre als Turnübung entstanden sein. Viele Jahre spielte man nach selbst erarbeiteten Regeln, erst seit 1945 gibt es amtliche.
Männer oder Frauen traten damals in ersten Turnieren an. Viele Spieler braucht es nicht, ein Team hat bis zu vier, idealerweise noch zwei auf der Bank. Ein Spiel dauert zweimal zehn Minuten. Und die können ziemlich anstrengend sein, wie der Besuch beim Training zeigt. Beim TB Haarzopf halten derzeit 19 Männer dem Prellball die Treue. https://www.waz.de/staedte/essen/sued/der-turnerbund-haarzopf-feiert-sein-111-jaehriges-bestehen-id8894595.html
Einer von ihnen ist Uwe Ulbrich (65), der seit 1971 von diesem Sport begeistert ist. Über seinen Onkel sei er dazu gekommen, berichtet er, und habe zunächst im Turnverein Bredeney geprellt. Die Geschichte der Haarzopfer Prellballer reicht in die 1950er Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte Vereinswirt Heinrich Erbach den Bürgern den Viktoriasaal als Übungsstätte zur Verfügung.
„Erst 1956 gab es die erste Großraumhalle am Föhrenweg in Haarzopf“, weiß Prellballwart Held. Seit 1976 trainiert man an der Adelkampstraße. Früher gab es auch Damen in der Riege. Übrig geblieben sind zwei Mannschaften: Männer 50 und Männer 60. Aktiv und reisefreudig sind beide Teams und nehmen regelmäßig an Spielen der Offenen Senioren Liga (OSL) und den Regionalmeisterschaften Mitte teil.
Das Erreichen der Deutschen Meisterschaft 2009 und 2010 war ein Höhepunkt
Mit Erfolg: Im Januar 2019 wurden die Prellballer der M 50 und M 60 für die zweiten Plätze bei den Deutschen Senioren-Meisterschaften vom Partnerkreissportbund Rheinisch-Bergischer Kreis und Rheinischer Turnerbund geehrt. „Höhepunkt war das Erreichen der Deutschen Meisterschaft der Männer 40 in den Jahren 2009 und 2010“, erzählt Held. https://www.waz.de/staedte/essen/sued/der-turnerbund-haarzopf-praegt-seit-langem-das-familienleben-id215939509.html
Von 1983 bis Anfang 2000 mischte der TB Haarzopf noch in der Prellballbundesliga mit. „Zwischendurch sind wir immer mal wieder abgestiegen.“ Aber daran stört sich heute keiner mehr. Faust oder Unterarm müssen herhalten beim Spiel. Aber daran gewöhne man sich, versprechen die Haarzopfer. Und neben Muskelkraft ist Tricksen gefragt: Denn wie beim Tennis bemüht sich jeder, so zu spielen, dass der Gegner den Ball nur schwer oder am besten gar nicht annehmen kann. Dann endet der Spielgang. Der Gegner darf aufschlagen.
„Ein vom Gegner kommender Ball kann direkt aus der Luft oder nach der ersten Bodenberührung geprellt werden“, erklärt Held die Regeln. Oft gebe es Verwechslungen. „Manche denken an Brennball und wundern sich, dass die Turnmatten fehlen“, sagt Held und lacht. Andere kennen eher den verwandten Faustball. Wie der Name schon sagt, kommt hier wie da beim Schlagen eines Lederballs die Faust zum Einsatz. Aber es gibt einige Unterschiede, angefangen bei der Spielfeldgröße.
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Hoffnung auf Nachwuchs bleibt bestehen
Die Hoffnung auf Nachwuchs haben die Haarzopfer nicht aufgegeben. Essener Schulen bieten sie ein kostenloses Probetraining an. Für Turniere legen sie oft weitere Strecken zurück. Doch fürs Hobby tun sie das gern. „Wenn man sich mit anderen Mannschaften trifft, ist das wie in einer Familie“, schwärmt Held.
In Südniedersachsen starten Anfang Mai die Deutschen Prellballmeisterschaften. Beide Haarzopfer Mannschaften, M 50 und M 60, sind bei den Senioren dabei. Da gibt es ein großes Wiedersehen. „Auf dem Spielfeld geht es manchmal hart zu, aber anschließend feiern alle harmonisch zusammen.“
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