Essen-Margarethenhöhe. . Manfred Heise (90) hat auf der Margarethenhöhe gelebt und sich mit ihrer Kulturgeschichte befasst. Nach 20 Jahren ist sein Buch darüber fertig.
Manfred Heise freut sich über ein besonderes Geburtstagsgeschenk: Pünktlich zu seinem 90. Geburtstag vor wenigen Tagen hielt er das Buch in Händen, an dem er 20 Jahre gearbeitet hat. Unter dem Titel „Deutscher Werkbund, Folkwang-Komplex und die Künstlersiedlung Margarethenhöhe“ beleuchtet der Autor die Philosophie des Deutschen Werkbundes sowie das Leben und Werk vieler Künstler, die damals auf der Margarethenhöhe lebten und arbeiteten.
Der Autor, promovierter Musikwissenschaftler, war als Musiklehrer an der Realschule Borbeck tätig. Er hat viele Jahre seines Lebens auf der Margarethenhöhe verbracht und lebt jetzt seit einigen Monaten in einem Karnaper Seniorenheim. 1982 zog Manfred Heise auf die Margarethenhöhe, wo schon sein Großvater 1920 einen Vorgängerverein der heutigen Bürgerschaft gegründet hatte und diesem 25 Jahre vorstand, wie der Senior berichtet.
Der Musik habe immer sein Hauptinteresse gegolten, aber schon seit frühester Jugend sei er auch kunstinteressiert gewesen. Einmal hätte er beinahe den Zeichner Hermann Kätelhön kennengelernt, den wohl bekanntesten Vertreter der Künstlerkolonie – kurioserweise nicht auf der Margarethenhöhe. Sein Vater habe damals als Steiger in Datteln gearbeitet und dort habe die Familie auch gewohnt, erzählt Heise. Das Haus gegenüber habe Hermann Kätelhön mit seiner Frau für einige Wochen im Jahr bewohnt. „Irgendwann sah ich ihn dann im Garten, habe mich als kleiner Junge aber nicht getraut, den berühmten Künstler anzusprechen. Aber ich bin froh, ihn noch getroffen zu haben“, sagt Heise.
Familiengeschichte spielt auf der Margarethenhöhe
Vieles auf der Margarethenhöhe habe mit seiner Familiengeschichte zu tun. So hätten sich seine Eltern bei Bauer Barkhoff, heute Hülsmannshof, kennengelernt. Sein Vater habe dort etwas getrunken und den zwei kichernden Mädchen am Nebentisch mit etwas Geld ausgeholfen, die ihr Getränk nicht bezahlen konnten. „Da musste man sich natürlich wiedersehen, um die Schulden zu begleichen...“, erzählt Heise. Er selbst habe seine Frau ebenfalls auf der Margarethenhöhe getroffen, „die Freundin einer Cousine“. Manfred Heise hat zwei Kinder und zwei Enkel. Er blieb nach dem Tod seiner Frau vor 25 Jahren auf der Margarethenhöhe wohnen und ist bis heute am sozialen Leben dort interessiert.
Der pensionierte Lehrer ist Mitglied im Deutschen Werkbund. Die 1907 gegründete wirtschaftskulturelle Vereinigung von Künstlern und Architekten setzt auf Werte wie Funktionalität und Materialgerechtigkeit. Spuren dieser Bewegung weist er an vielen Orten der Margarethenhöhe nach. Der Autor, der die Kapitel seines 219 Seiten umfassenden Werkes erst per Hand, später mit der Schreibmaschine verfasste, stellt ein Dutzend Mitglieder der Künstlerkolonie Margarethenhöhe vor, jeweils mit Lebenslauf und Fotos ihrer Werke.
Siedlungsstifterin wollte eine Künstlerkolonie
Manfred Heise macht deutlich, dass die Siedlungsstifterin Margarethe Krupp von Anfang an vorgehabt habe, eine Künstlerkolonie zu schaffen und damit den Grafiker Kätelhön beauftragte.
Auch die Verbindung zur Folkwangschule beleuchtet Heise. Viele der Maler, Grafiker, Bildhauer, Keramiker, Buchbinder, Goldschmiede, Glasmaler und Lithographen seien Dozenten dort gewesen. Einen Überblick über sämtliche Künstler der Kolonie hatte Heise bereits für die Ausstellung im Brückenkopfhaus erstellt.
Keramikwerkstatt ist heute auf der Zeche Zollverein
Das Buch hat die Margarethe-Krupp-Stiftung finanziert und veröffentlicht, allerdings nur in einer Auflage von 60 Exemplaren, so dass es derzeit nicht erhältlich ist. „Wer Interesse hat, kann das Buch bei uns einsehen. Sollte es auf großes Interesse stoßen, müsste man noch einmal über eine größere Stückzahl nachdenken“, sagt Michael Flachmann, Vorstand der Margarethe-Krupp-Stiftung. Für ihn sei die Förderung des Werkes „eine Herzensangelegenheit“ gewesen, auch vor dem Hintergrund, dass viele Werke der Künstler noch heute auf der Margarethenhöhe sichtbar seien. Zudem zeige das Buch, wie das soziale Leben im Stadtteil durch Kunst (mit)gestaltet wurde und werde.
Der einzige Teil der Künstlerkolonie Margarethenhöhe, der heute noch existiert, ist die Keramikwerkstatt. Sie ist auf das Gelände der Zeche Zollverein ausgelagert und genießt weiterhin einen guten Ruf. Der Autor stellt unter anderem den Fotografen Albert Renger-Patzsch, den Maler Kurt Lewy, den Bildhauer Joseph Enseling, die Buchbinderin Frida Schoy und die Goldschmiedin Elisabeth Treskow vor.