Essen-Südostviertel. . Sally Perel (92), der als Jude in der Hitlerjugend den Nationalsozialismus überlebte, beeindruckt die Schüler des Viktoria-Gymnasiums.

Die Aula des Viktoria-Gymnasiums ist bis auf den letzten Platz gefüllt, als der 92-jährige Sally Perel die Stimme erhebt. „Shalom“, sagt er in die Runde von etwa 190 Schülern der achten bis elften Klasse. Der israelische Autor, der in Deutschland geboren wurde, begrüßt seine Zuhörer auf Hebräisch. Was er in den nächsten rund zwei Stunden erzählen wird, fesselt sein junges Publikum. Er erzählt die Geschichte seines Lebens.

Wie er, der Jude aus Peine nahe Braunschweig, als Hitlerjunge getarnt den Zweiten Weltkrieg überlebte. Wie er sich früh von seinen Eltern trennen musste, um mit seinem Bruder zu fliehen. Und wie ihn die nationalsozialistische Ideologie noch heute verfolgt. All das, so hofft er, soll dazu beitragen, dass „die Jugend von heute die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt“. Perel hat sich also viel vorgenommen: „Solange ich einen Fuß vor den anderen setzen kann, möchte ich von dieser Zeit berichten, denn Zeitzeugen sind immer noch die besten Geschichtslehrer.“ Er macht deshalb immer wieder Lesetouren durch Deutschland und berichtet vor allem jungen Zuhörern von seinen Erlebnissen.

Die Schüler in der Aula der Viktoria-Schule hörten aufmerksam zu, als Sally Perel sein Schicksal schilderte.
Die Schüler in der Aula der Viktoria-Schule hörten aufmerksam zu, als Sally Perel sein Schicksal schilderte.

Vier Jahre lang hat sich der Salomon Perel, wie er mit vollem Namen heißt, mit falscher Identität und in ständiger Angst lebend als Jude unter Deutsche in der Hitlerjugend (HJ) mischen können. „Ich war versteckt in der Haut der Feinde“, sagt er rückblickend. Auf die Frage einer Schülerin, ob er damals dennoch Freunde in der HJ gehabt hätte, antwortet er: „Nein, Freunde waren das nicht, denn einem Freund erzählt man alles, und ich habe alles von mir verheimlicht.“ Trotz der ständigen Bedrohung, entdeckt zu werden, gab er nie auf. „Einmal lernten wir im ,Rassenkunde’-Unterricht, wie man einen Juden erkennt. Ich hatte natürlich unbeschreibliche Angst aufzufliegen“, erzählt Perel. Doch seine Mutter hatte ihm bei der Trennung drei Worte mit auf den Weg gegeben, die ihn ständig hoffen ließen: „Du sollst leben!“

Sally Perel ist heute mit sich im Reinen

Heute bezeichnet sich Perel als einen Menschen mit zwei Seelen: „Ich war damals Jude und Nazi, Opfer und Täter in einem Körper. Dieses Doppelleben führe ich bis heute.“ Er begründet das damit, dass er die Weltanschauung der Nationalsozialisten damals tagtäglich eingetrichtert bekam. „Ich begann, mich für deutsche Siege im Krieg zu begeistern, fing an, die Ideologie nachvollziehen zu können. Sie hatten ja alles scheinbar logisch begründet“, so Perel. „Gift“ sei das gewesen, dass „in die jungen Gehirne eingeträufelt“ wurde.

Der Mann, der jetzt mit sich selbst im Reinen scheint, nutzt jede Gelegenheit, die Schüler zu warnen. Davor, die gleichen Fehler wie die damalige Bevölkerung zu machen und davor, Fremdes oder Andersartiges zu verachten. „Wir müssen zurück zu Respekt und Toleranz. Darum bitte ich euch alle, die Geschichten von früher später einmal an eure Kinder weiterzugeben. Das darf alles nicht vergessen werden!“, sagt Perel voller Hoffnung.

Autor hinterlässt einen starken Eindruck bei Schülern

Sowohl bei den Schülern als auch bei den Lehrern des Viktoria-Gymnasiums hinterlässt er auf jeden Fall einen starken Eindruck: „Ich finde es beeindruckend, wie viel Glück und was für einen unbedingten Lebenswillen er hatte“, sagt der 16-jährige Tom Nesselhauf. Er hat sich direkt nach dem Vortrag das Buch von Sally Perel gekauft, das seine Geschichte erzählt: „Herr Perel hat Recht. Solche Erinnerungen müssen wach gehalten werden.“