Essen-Fulerum. . An Heiligabend bereiten die geistig behinderten Bewohner im Haus Haarzopf das Menü mit zu. Mitarbeiterinnen feiern erst im Dienst, dann zu Hause.

Die Bewohner im Haus Haarzopf sind schon ein bisschen aufgeregt. Nur noch wenige Päckchen hängen am Adventskalender – ein sicheres Zeichen dafür, dass Weihnachten vor der Tür steht. Längst nicht alle der Frauen und Männer mit geistiger Behinderung verbringen die Feiertage in ihren Familien. Viele bleiben in den Wohngruppen in der Einrichtung der Lebenshilfe.

„Vor einigen Jahren wurden noch fast alle Bewohner zum Fest von Verwandten abgeholt“, sagt Familienpflegerin Elke Gröbe. Das sei heute nicht mehr unbedingt so. Oft seien die Eltern und Geschwister der Bewohner inzwischen selbst alt oder verstorben. „Manchmal sind die Angehörigen aber auch der besonderen Situation an Heiligabend nicht gewachsen“, so Gröbe. Oder die Bewohner selbst seien durch altersbedingte Einschränkungen nicht mehr in der Lage, anderswo zu feiern. Allein in der Wohngruppe, die Elke Gröbe mitbetreut, bleiben rund zehn Bewohner zum Fest da. Und das läuft auch im Haus Haarzopf ganz klassisch ab.

1991 eröffnete das Haus Haarzopf in Fulerum. Derzeit leben dort 48 Menschen mit geistiger Behinderung.
1991 eröffnete das Haus Haarzopf in Fulerum. Derzeit leben dort 48 Menschen mit geistiger Behinderung. © Socrates Tassos

Frühzeitige Planung ist wichtig: Schon vor Wochen habe man sich zusammengesetzt, um sich auf ein Weihnachtsessen zu einigen. Traditionell soll es sein, und vor allem lecker. „Klöße mag ich gern, die kenn ich noch von früher“, sagt Bewohnerin Angelika Rehorst. Ansonsten wird es Putenbraten mit Rotkohl geben, die Bewohner helfen bei der Zubereitung und Tischdekoration. „Wer mag, kann nachmittags einen Gottesdienst besuchen, zum Beispiel beim Integrationsmodell auf der Billebrinkhöhe. Die anderen fangen in der Zeit schon mal mit den Vorbereitungen an“, so Elke Gröbe. Bevor die Feier losgeht, ziehen sich die Bewohner festlich an, denn schließlich ist ja Weihnachten.

Bewohner entscheiden über das Festmenü

Ein richtig gutes Essen – auf einen Nachtisch habe man sich noch nicht geeinigt – müsse es Heiligabend schon sein. „Schön wäre es, wenn möglichst viele Bewohner hier gemeinsam essen würden. Aber das kann natürlich jeder machen, wie es ihm gefällt“, sagt Erzieherin Astrid Walter. Sie freut sich über die Zusage von Bewohner Manfred Wirth, dass er in diesem Jahr am Weihnachtsessen teilnehme. „Wenn es ihm zu viel Trubel ist, isst er auf seinem Zimmer, kein Problem“, so Astrid Walter. Im Prinzip könnten auch Verwandte der Bewohner im Haus Haarzopf mitfeiern, das komme aber nicht so oft vor.

Nach Essen und Glühwein – letzterer von den Bewohnern dringend erwünscht – werden gemeinsam Weihnachtslieder gesungen. „So richtig gut klappt das meist nicht, denn die Bewohner haben schon nur noch die Geschenke im Kopf“, weiß Astrid Walter aus Erfahrung. Und dann geht’s endlich ans Auspacken: Zwei, drei Päckchen gibt es für jeden, oft praktische Dinge, wie einen Rasierapparat, der dann vielleicht doch erst Ostern ausgepackt werde. Ein Präsent für Bewohnerin Angelika Rehorst zu finden, ist relativ einfach: Bettwäsche, Rucksack, Tasse – nur das Emblem von Bayern München sollte schon drauf sein. Mit dem Weihnachtsstress gehe übrigens jeder anders um. Die einen seien um 20 Uhr völlig erschöpft und zögen sich zurück. „Andere sind noch hellwach und sitzen im kleinen Kreis zusammen und hören Musik“, so Elke Gröbe.

Mitarbeiterinnen feiern Heiligabend zweimal

Sie hat wie Astrid Walter an Heiligabend bis 22 Uhr Dienst. „Das hier ist irgendwie auch meine Familie, ich bin eigentlich immer Heiligabend hier. Und jedes mal ist es anders“, sagt Astrid Walter. Natürlich müsse das die eigene Familie mittragen. „Ich rechne es meinem Mann hoch an, dass er das akzeptiert“, sagt sie. Und ein bisschen Zeit zum Feiern bleibe ja noch nach Feierabend.

Die Wohnstätte Haus Haarzopf der Lebenshilfe wurde 1991 eröffnet. An der Humboldtstraße leben derzeit 48 Frauen und Männer zwischen 20 und 77 Jahren mit geistigen Behinderungen. Der Großteil der Bewohner arbeitet in Werkstätten oder ähnlichen Einrichtungen, drei Bewohner sind bereits in Rente. Rund um die Uhr sind Ansprechpartner im Haus.