Haarzopfer "Urgestein" Herbert Fries führt historisch interessierte Bürger zu markanten Punkten.Erinnerungen an die bäuerliche Vergangenheit. Berichte aus der Kriegszeit bewegen Zuhörer
Haarzopf. "Moete wie es kieken", antwortet Herbert Fries, als er nach dem Wetter gefragt wird. Der bärtige Mann mit dem Leinenhut steht inmitten von 25 interessierten Bürgern und schickt sich an, mit ihnen die vierte geschichtliche Wanderung des Bürgervereins Haarzopf-Fulerum zu unternehmen. Da liegt es nahe, in Mülheimer Platt zu antworten. ",Moete wie es kieken' heißt soviel wie ,Schauen wir mal'", erklärt Fries. Mit einem dicken Ordner voller Fotos, Karten und alten Zeitungsartikeln bewaffnet, führt er die Teilnehmer dieses Mal "Vom Moses nach Haarzopf".
Die Brückenskulptur über dem Borbecker Mühlenbach ist der Ausgangspunkt der Wanderung. "Der Moses sollte die Bürger beschützen", sagt Fries. "Die Skulptur erinnert daran, wie Moses das Volk Israel geleitet hat." Dann setzt sich die Gruppe in Bewegung und biegt ein in die Wienenbuschstraße. Dort stand früher der Kotten Hammelsbeck, der 1944 durch Bomben zerstört wurde.
Die Truppe zieht weiter durch die Siedlung Heimatdank ins Mecklenbeckstal, bis sie den Regenbogenweg erreicht und stoppt an einer Gedenktafel. "Hier wird an ein Barackenlager, eine Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald erinnert", berichtet Fries ernst. "Im Jahr 1944 wurden hier 250 jüdische Frauen und Mädchen zum sogenannten ,Arbeitseinsatz' bei der Familie Krupp unter unmenschlichen Bedingungen in Baracken eingepfercht. Hier sind schlimme Dinge passiert."
Die Bürger hören gespannt zu und sind sichtlich bewegt. "Herbert Fries weiß sehr viel und hat immer ausführliche Informationen parat", erzählt Hildegard Pröpper. "Wir wissen schon einiges, aber man lernt immer wieder was dazu." Herbert Fries kennt die Gegend wie seine Westentasche. "Ich wurde 1930 in dem Haus geboren, in dem ich immer noch wohne", betont der ehemalige Frisör. "Deshalb kenne ich viele Leute und Geschichten." Auch die Teilnehmer sind gebürtige Haarzopfer oder wohnen schon sehr lange in der Gegend.
"Der Stadtteil hat sich sehr verändert", sagt Hannelore Kränzel. "Heute ist alles viel neuzeitlicher und städtischer geworden. Da wird man manchmal ein wenig wehmütig." Nach einem kleinen Einblick in die Zechengeschichte und einem Blick auf das evangelische Gemeindezentrum Fulerum stärkt sich die Gruppe bei Kaffee und Kuchen im "Haus Haarzopf", der ersten Wohnstätte für Menschen mit geistiger Behinderung in alleiniger Trägerschaft der "Lebenshilfe Essen".
Dann wandert die historisch interessierte Truppe weiter entlang der viel befahrenen Humboldtstraße, vorbei am Hochbunker, dem Beekmannshof und einigen Kotten, die um 1900 entstanden. An der Kreuzung Erbach endet schließlich die Reise durch das vergangene Jahrhundert. Aber die nächste Tour durch Haarzopf und Fulerum ist schon in Planung. "Das positive Echo auf die bisherigen Wanderungen hat uns Mut gemacht, weitere Wege zu erschließen", sagt Herbert Fries. "Wir hoffen, dass wir dann genauso großen Zuspruch finden."