Essen-Bredeney. . Bewohner der Conradschen Villenkolonie fürchten, dass der Charakter des städtebaulichen Ensembles durch den Abriss einer Villa von 1907 leidet.
Sorgen um das Bredeneyer Stadtbild machen sich Bewohner der Conradschen Villenkolonie. Eines der prägenden Häuser an der Straße Am Wiesental 12 wird gerade abgerissen. Dort sollen acht moderne Eigentumswohnungen entstehen. „Wir sind nicht gegen Neubauten, aber sie sollten sich schon den historischen Häusern in der Umgebung anpassen“, findet Gabriele Kapp. Sie bewohnt seit 1974 mit ihrem Mann Christian Kapp eines der Häuser an der alten Brunnenanlage. Von dort blickt man unmittelbar auf das Haus Am Wiesental. Das Haus der Kapps ist von 1908/09 und vom Stil her etwas strenger als das Nachbarhaus mit Türmchen und Rundungen, das von Architekt Wilhelm Conrad entworfen wurde.
Die Bürger befürchten, dass der Neubau ein funktionaler „Klotz“ wird, der das Gesamtbild des historischen Ensembles negativ beeinflusst. Die Häuser im Umfeld wurden größtenteils ab 1907 vom Architekten Wilhelm Conrad geplant. Erstaunlicherweise stehe nur ein einziges Gebäude unter Denkmalschutz.
Die Häuser der Siedlung zeichnen sich nicht durch die typischen floralen Jugendstilelemente aus, sondern sind im Landhausstil gebaut, wie man ihn eher in England kannte, erläutert Gabriele Kapp. Typisch für diesen Stil seien Ziergitter vor den Fenstern, Sprossenfenster, hübsche Türmchen und mit Schieferelementen farblich gestaltete Fassaden.
Auch Corinna Brandi ärgert sich über den Abriss der Villa. Sie selbst wohnt an der Maybachstraße, wo ebenfalls von vier schicken alten Villen nur noch zwei übrig seien. Brandi arbeitete früher im Institut für Verkehrswissenschaft, bekam mit, wie für neue Straßen Schneisen durch die Städte geschlagen wurden. Ihr Interesse für Architektur ist aber auch familiär bedingt. Ihr Großonkel war Paul Brandi, früher Essener Baudezernent, der unter anderem den Bau der Margarethenhöhe II initiierte und sich um das Moltkeviertel verdient machte. Corinna Brandi vermisst insgesamt in Essen ein städtebauliches Konzept, gerade auch in Bezug auf die Stadterneuerung. Nicht nur in Bredeney verschwänden schöne alte Gebäude, auch in Kettwig und Borbeck, von regelrechten „Bausünden“ wie in Steele ganz zu schweigen.
Brandi verweist auf das Beispiel Münster, wo man den alten Kern, der im Krieg zerstört worden war, um 1950 an gleicher Stelle wieder aufgebaut habe. Das Ergebnis sei der gelungene Prinzipalmarkt, verweist Corinna Brandi auf ein positives Beispiel im Umgang mit der baulichen Geschichte einer Stadt.
Kein Schutz für Ensembles
„Dass man das alte Essener Rathaus abgerissen hat, zeugt von einem fehlenden Gefühl für historische Gebäude.“ Es sei beschämend, dass eine Stadt, die vor nicht allzu langer Kulturhauptstadt gewesen sei, keinen Schutz für städtebaulich bedeutende Ensembles kenne – abgesehen von der Gartenstadt Margarethenhöhe. „Dabei identifizieren sich die Menschen viel eher mit ihrem Umfeld, wenn sie in solchen geschlossenen Siedlungen wohnen und pflegen sie dann auch besser“, ist Corinna Brandi überzeugt.
Mittelpunkt der Conradschen Villenkolonie ist der ehemalige Jugendstilbrunnen, der im Krieg zerstört und später wieder aufgebaut wurde. Dieser ist nicht mehr in Betrieb. Da sich die Stadt aus Kostengründen nicht um Pflege und Bepflanzung der Brunnenanlage kümmern kann, übernimmt das seit 2002 eine Pflegegemeinschaft aus zehn Nachbarn, der auch Gabriele und Christian Kapp angehören. „Wir haben hier schon einige Feste gefeiert“, betont Christian Kapp den nachbarschaftlichen Zusammenhalt.
Die Anwohner ärgert nicht nur der Abriss in ihrer Siedlung. Nachdem bereits vor einigen Jahren eine alte Villa an der Maybachstraße nahe der Goetheschule durch einen Neubau ersetzt wurde, wird aktuell eine Jugendstilvilla an der Graf-Bernadotte-Straße/Ecke Am Ruhrstein abgerissen. „Auch das alte Fachwerkhaus am Werdener Berg/Weg zur Platte, in dem sich ein Restaurant befand, ist weg“, sieht Gabriele Kapp mehrere Beispiele, wie sich das „alte“ Bredeney massiv verändere und dabei gesichtsloser werde.
„Es ist schade, dass immer mehr altehrwürdige Gebäude verschwinden“, findet Bezirksbürgermeister Michael Bonmann (CDU), der auch Baudezernent Hans-Jürgen Best in der Verantwortung sieht. Laut Bonmann sei noch kein Bauantrag für das Grundstück Am Wiesental 12 eingereicht worden. Er hoffe gemeinsam mit den Anwohnern, dass der Neubau dort, wie jüngst kommuniziert, den Stil der Conradschen Villenkolonie aufgreifen werde.