Essen-Bredeney. . Der Maßschneider Wermter renoviert in Kürze. Der Großbaustelle in Bredeney sieht er gelassen entgegen. Er bedauert, dass viele Traditionsgeschäfte schließen.
Das Wort „Räumungsverkauf“ hat viele aufgeschreckt: Mehrere Bürger haben den alteingesessenen Bredeneyer Maßschneider Stefan Wermter besorgt angesprochen: „Wie, Sie schließen auch? Das darf doch nicht wahr sein...“ Ist es auch nicht, kann Wermter die Bredeneyer beruhigen. Zwar gebe es aktuell einen Räumungsverkauf mit Rabatten, aber nur, weil das Ladenlokal an der Bredeneyer/Frankenstraße am 31. Dezember für gut eine Woche schließe und vom 4. bis 8. Januar renoviert werde.
„Nein, ich mache auf jeden Fall weiter. Wenn möglich, noch 18 Jahre. Ich habe nämlich meinem Großvater auf dem Sterbebett versprochen, bis zum 100-jährigen Bestehen des Geschäfts weiterzumachen“, sagt Wermter, der das Geschäft 2007 von seinem Vater übernahm und es in dritter Generation weiterführt.
Nach den Feiertagen will der 46-Jährige den Laden heller streichen, Beleuchtung und Einrichtung etwas verändern. „Die Maßsachen sollen mehr im Vordergrund stehen“, betont Wermter, der sechs Angestellte beschäftigt. Die Änderungsschneiderei nebenan bleibe während des Umbaus geöffnet. „Auch angesichts der kommenden Baustelle macht es Sinn, weniger Ware im Laden zu haben“, sagt er und freut sich, dass durch den Räumungsverkauf einige neue Kunden in den Laden gefunden hätten.
Wermter sieht die Veränderungen in Bredeney durchaus kritisch, zählt all die alteingesessenen, inhabergeführten Geschäfte auf, die in letzter Zeit geschlossen haben, weil die Besitzer die Altersgrenze erreicht und keinen Nachfolger gefunden hätten, oder auch, weil sie die Auswirkungen der voraussichtlich im März beginnenden zweijährigen Großbaustelle im Stadtteilzentrum fürchteten.
„Das Neubauprojekt wird den Stadtteil komplett verändern“, ist Wermter überzeugt. Auf der einen Seite sei es positiv, dass zum Beispiel alte, marode Häuser wegkämen und moderne Wohnungen und ein großer Lebensmittelmarkt für neue Qualität im Stadtteil sorgten. Andererseits müsse man die Bauphase erst einmal überstehen und sich an ein neues Stadtbild gewöhnen. Sein Vater beispielsweise bedauere schon jetzt, dass das Gebäude mit dem Lebensmittelgeschäft, in dem sich früher ein Kino befand, abgerissen werde. Dort habe sein Vater noch mit einem Mädchen in der letzten Reihe gesessen und nichts vom Film mitbekommen. „Viele Bredeneyer verbinden Erinnerungen mit den Gebäuden.“ Wermter plädiert dafür, dass sich die Geschäftsleute vor Ort bald überlegen, wie man den Stadtteil attraktiver gestalten könne.
Er persönlich sehe der Baustelle eher gelassen entgegen, da er als Maßschneider nicht unbedingt auf Laufkundschaft angewiesen sei, sondern Kunden auch aus den Nachbarstädten habe. „Wir haben schon die Baustellen für neue Abwasserrohre und neue Schienen überlebt“, ist er optimistisch.
Seit einem halben Jahr hat Wermter eine kleine Filiale in Kalkar am Niederrhein. Dort habe er mit seiner Familie ein Wochenenddomizil, wo sich die dreijährige Tochter richtig austoben könne. Direkt nebenan sei ein Golfplatz und dort habe es ein freies Ladenlokal gegeben. „Ich wäre dumm, wenn ich diese Chance angesichts der vergleichsweise niedrigen Mieten dort nicht nutzen würde“, erklärt der Schneidermeister, der in seiner Freizeit gern Golf spielt.