Essen-Haarzopf/Fulerum. . Statt Gewerbe sollen jetzt Häuser für Flüchtlinge in Haarzopf entstehen. Die Bürger fühlen sich hintergangen. Über 200 Menschen kamen zur Versammlung.

Mehr als 200 Haarzopfer und Bürger aus anderen Stadtteilen protestierten am Dienstagabend in der voll besetzten Scheune von Bauer Scheidt gegen die Pläne der Stadt, an der Hatzper Straße/Alte Hatzper Straße/Birkmannsweg und der Humboldt-/Spieckermannstraße Wohnhäuser für Flüchtlinge zu bauen. „Wir wehren uns dagegen, dass die Stadt die Pläne für neue Wohn- und Gewerbegebiete mit der Flüchtlingsproblematik vermengt. Man kann die Hilfe für Flüchtlinge nicht gegen den Landschaftsschutz ausspielen“, so der Tenor. Die Bürger befürchten, dass die Stadt angesichts der Flüchtlingsströme die Situation für ihre Zwecke nutzen, aus Grünflächen Bauland machen und dies später versilbern wolle.

Vor einer Woche hatte Daniel Reinhardt (40) die Facebook-Gruppe „Haarzopf/Fulerum sagt Nein“ gegründet. Am Abend vor der Ratssitzung, in der die Prüfung von insgesamt 15 Flächen in Essen zur Diskussion stand, trafen sich die Haarzopfer zu einer von Reinhardt initiierten Bürgerversammlung, diskutierten das weitere Vorgehen, riefen Arbeitsgruppen ins Leben und stimmten einer Petition gegen die Flächenbebauung zu, die Reinhardt noch in der Nacht an die Ratsfraktionen schickte.

Während die Fläche hinter dem evangelischem Gemeindezentrum an der Humboldtstraße Richtung Mülheim Thyssen-Krupp gehört, befindet sich das Areal an der Hatzper Straße teils in Privatbesitz. Für die dort ansässigen Landwirte sei der Erhalt der Flächen eine Existenzfrage. Die Bürger befürchten zudem eine Ghettoisierung, wenn dort nur Häuser für Flüchtlinge gebaut würden. Haarzopf habe ja bereits zwei voll belegte Unterkünfte in der ehemaligen Hatzper Schule und Auf’m Bögel. „Man sollte die zur Verfügung stehenden Fördermittel in die Sanierung von vorhandenen Wohnungen stecken und diese erst mal belegen, bevor man neue baut“, so eine Forderung, der viele zustimmten.

Nein, sie hätten nichts gegen die Flüchtlinge, denen man helfen müsse. Ja, sie sorgten sich um die Grünflächen im Stadtteil, die jetzt zum wiederholten Mal bebaut werden sollen. Noch vor einem halben Jahr hatten sich die Haarzopfer mit Unterstützung zahlreicher Politiker und des damaligen CDU-Oberbürgermeister-Kandidaten Thomas Kufen vehement gegen solche Pläne gewandt und sich gefreut, als das Gelände an der A 52 diesbezüglich vom Tisch war.

Nur wenige Monate später stehen jetzt die Flächen erneut zur Disposition – und die Bürger fühlen sich von Stadt und Politik hintergangen. Dass sich Kufen im Wahlkampf für den Grünerhalt in Haarzopf stark gemacht habe und davon nun nichts mehr zu merken sei, enttäuscht viele Bürger. Sie verurteilen vor allem die Art und Weise, wie mit ihnen umgegangen werde. Erster Schritt des Protests: Rund 30 Bürger erklärten sich spontan bereit, bei der Ratssitzung Präsenz zu zeigen. Gegen Ende der Bürgerversammlung trugen sich laut Daniel Reinhardt gut 150 Bürger in Listen ein, die bereit sind, in Arbeitsgruppen Aufgaben zu übernehmen. Öffentlichkeitsarbeit, Unterschriftensammlungen, Info-Stände organisieren, eine Demo vorbereiten, Flyer und Transparente erstellen – Aufgaben gebe es genug, so Reinhardt. „Ich könnte mir auch durchaus die Gründung eines Vereins vorstellen, auch im Hinblick auf die Finanzierung“, sagt Reinhardt. Die Arbeitsgemeinschaften sollen sich selbstständig organisieren. Die Versammlungsteilnehmer wollen zweigleisig fahren und einerseits Druck auf die Politiker ausüben, sich andererseits über juristische Möglichkeiten informieren.