Essen-Südviertel. . Am Mittwoch öffnete Rosemarie Meier nach 52 Berufsjahren zum letzten Mal die Türen ihres Ladens im Südviertel.

„Ein Gläschen Sekt?“, fragt Rosemarie Meier und hilft der Kundin aus dem Mantel. Ungeachtet der Mittagszeit lässt sich dieses Angebot nur schwer ausschlagen: Nach 60 Jahren hat die Friseurmeisterin am Mittwoch zum letzten Mal ihren Salon an der Rellinghauser Straße 185 geöffnet.

Viele ältere Damen sitzen unter den Trockenhauben, haben Lockenwickler und Rundbürsten in ihre Haare gedreht, versinken im Blätterwald der Hochglanzmagazine oder ergehen sich mit ihrer Sitznachbarin im neuesten Klatsch und Tratsch. Zeigte das Kalenderblatt nicht den 30. September an, es wäre ein ganz gewöhnlicher Arbeitstag für Rosemarie Meier.

„Ich hatte Herzklopfen“, beschreibt die 68-Jährige das Gefühl, das sie am Mittwochmorgen beim Aufstehen beschlich. Schließlich ist sie seit 52 Jahren eng mit dem Friseurladen verbunden, den ihr Schwiegervater 1955 eröffnete. Eine Zeit, in der die Damen sich noch wöchentlich ihre Haare legen ließen, um adrett auszusehen. „Damals hatte man auch noch stramm zu stehen, wenn die älteren Kolleginnen das verlangten“, erinnert sich Rosemarie Meier, die ihre Lehre schon mit 13 Jahren begann. Nach ihrer Ausbildung in Mülheim legte sie mit gerade einmal 18 Jahren ihre Meisterprüfung im Friseursalon Meier ab, den sie später als Chefin übernahm.

150 Qudratmeter großer Salon mit damals 40 Plätzen

Der mit 150 Quadratmetern ungewöhnlich große Salon bot damals 40 Plätze, „das ging hier zu wie im Taubenschlag“, weiß Rosemarie Meier. Viele Kunden, die viel Arbeit bedeuteten: Bis zu zehn Lehrlinge im Jahr wurden in dem Friseurladen im Südviertel damals ausgebildet.

Vieles erinnert bis heute an diese vergangenen Zeiten: vom mittlerweile ungenutzten Aschenbecher über die fest installierten Trockenhauben bis hin zum Interieur, das nichts mit dem heute üblichen Designer-Chic der meisten „Hair-Stylisten“ gemein hat, sondern eher den gemütlichen Charme eines großelterlichen Wohnzimmers versprüht. Mit vielen Kunden und Kolleginnen ist Rosemarie Meier gemeinsam älter geworden: „Einer unserer Kunden kommt schon seit 52 Jahren zum Haare schneiden hierher, viele Kolleginnen haben hier mehr als drei Jahrzehnte gearbeitet“, sagt sie und etwas Wehmut schwingt in ihrer Stimme mit. Verständlich, verbrachte sie doch einen Großteil ihres Lebens zwischen Waschbecken und Frisiertisch, zog auch ihre Tochter dort groß. „Für die Erziehung des Kindes zu Hause zu bleiben, das ging nicht, ich wurde ja auch hier gebraucht“, sagt die frisch gebackene Rentnerin, die sich um so mehr auf das freut, was jetzt kommt: Zeit. Um etwas mit ihrem Mann zu unternehmen, mal auf dem Wochenmarkt einzukaufen und ihre Tochter in der Schweiz zu besuchen.

Ihre Kunden – die zum Teil bis heute wöchentlich zum „Haare machen“ durch die Tür kommen – wird sie vermissen. „Das war immer das Besondere an diesem Laden und auch der Lage hier im Südviertel: die Kundschaft“, sagt Meier. Der Standort bleibt dabei erhalten: Nach einer Renovierung soll der Salon voraussichtlich Ende Oktober unter neuer Leitung eröffnen.