Essen-Rüttenscheid. . Warum vier junge Frauen aus Rüttenscheid ihren Stadtteil den Karnevalshochburgen gegenüber an Weiberfastnacht schon seit Jahren bevorzugen.

Um Punkt 11.11 Uhr knallt der erste Sektkorken an der Franziska­straße. Auf dem Küchentisch verlocken Berliner Ballen und Brötchen mit Lachs zum Naschen. Aus dem Radio dröhnen die Höhner, Neuzugänge werden von Gastgeberin Jana Görges mit einem kräftigen Helau begrüßt. Die 28-Jährige hat sich von einer Sozialversicherungsfachangestellten in einen prächtigen Pfau verwandelt. Ein Sonntag sei dafür drauf gegangen, das Kostüm zu nähen, erzählt sie.

Alles für diesen Tag, für Weiberfastnacht, den Jana Görges mit ihren Mädels nirgends lieber als in Rüttenscheid verbringen würde. „Kneipenkarneval feiern wir hier am liebsten. Da wird Essen leider oft unterschätzt“, sagt die junge Frau. Warum sie nicht in die benachbarten Hochburgen nach Köln oder Düsseldorf fahren? „Das ist doch Quatsch, wir haben hier doch alles vor der Tür!“, ergänzt sie.

Karnevalsfan mit Berliner Wurzeln

Auch ihre Freundin Manuela Meyer, die trotz Berliner Wurzeln bekennende Karnevalistin ist, sieht das so. „Ich habe eine Freundin in Köln, die hat mich sehr früh infiziert“, erzählt die 30-Jährige, die seit sechs Jahren in Rüttenscheid lebt. Die Einzelhandelskauffrau – die im Kaufhof quasi direkt an der Quelle für närrisches Zubehör arbeitet – beeindruckt mit einem atemberaubenden Augenaufschlag. Sie hat sich für ihre eintägige Rolle als Waldelfin lange grüne Wimpern aufgeklebt. Lara Ludwig als Römerin und Andrea Thelen als Zebra ergänzen das närrische Frauen-Quartett, das schon seit Jahren Karneval in Rüttenscheid feiert – und entsprechend erprobt ist. So liegen die Vorverkaufskarten für die Karnevalsparty im Eigelstein schon lange bereit. „Mal sehen wie das in der nun verkleinerten Location läuft“, ist Jana Görges gespannt. Platz zum Tanzen verschaffen sich die Vier ohnehin überall – „und wenn es auf Tischen und Bänken ist“, sagt Manuela Meyer und lacht. An Karneval gelten eben andere Gesetze.

Und die sind meist von Spontaneität getrieben. Nach dem Eigelstein ist vor der nächsten Party in einer der umliegenden Kneipen, Auswahl gibt es ja mittlerweile genug. Zum Abschluss hält sich Jana Görges noch den Besuch der Ego-Bar offen. „Das ist ja ein Klassiker an Karneval – genau wie der Döner von Pamukkale auf dem Heimweg“, erzählt die Rüttenscheiderin, die mit ihrer Frohnatur manchen Rheinländer problemlos in die Tasche stecken könnte. Was den Rüttenscheider Kneipenkarneval ausmacht? „Wir treffen hier viele Bekannte und man kommt schnell mit anderen ins Gespräch. Zwar wird auch hier nicht wenig getrunken, so viele Alkoholleichen wie in Düsseldorf oder Köln gibt’s an der Rü aber nicht. Außerdem können alles zu Fuß erreichen“, zählt Jana Görges die Vorzüge auf. Bei so viel Lokalpatriotismus verwundert der Lieblingskarnevals-Hit der Rüttenscheider Mädels nicht: „Denn da erschuf der liebe Gott (die Mädchen aus dem Kohlenpott)“ von Karnevalsstar Kurt Lauterbach – eine Hymne, die passt.