Essen-Rellinghausen. . Im Augustinum geht es an den Festtagen ganz traditionell zu. So mancher Bewohner zieht die gewohnte Umgebung dem Familientrubel vor.

Noch wenige Tage bis Weihnachten. In vielen Familien geht es hektisch zu. Nicht so im Wohnstift Augustinum – obwohl es sicherlich keine leichte logistische Aufgabe ist, rund 400 Senioren nicht nur eine abwechslungsreiche Adventszeit zu bereiten, sondern ihnen auch an Weihnachten und zum Jahreswechsel festliche Stunden zu bereiten. Dazu gehört natürlich vor allem gutes Essen. An beiden Weihnachtstagen gibt es ein viergängiges Menü, das sich die Bewohner aus mehreren Vorschlägen selbst zusammenstellen können. Vorbestellen? „Nein, nicht nötig. Wir sind da Profis. Die Bewohner entscheiden im Restaurant, worauf sie Lust haben“, betont Stiftsdirektor Stefan Zens.

Heiligabend gibt es traditionell Kartoffelsalat und Würstchen. Vorher treffen sich viele der Bewohner in der hauseigenen Kapelle zum ökumenischen Gottesdienst und der sogenannten Weihnachtsstube mit Liedern und Textvorträgen. „Dass ich mit meiner Familie an den Veranstaltungen am Heiligen Abend teilnehme, ist bei uns so üblich. Die Kinder kennen das nicht anders. In Sachen Bescherung halten wir uns an die amerikanische Tradition. Geschenke gibt’s erst am ersten Weihnachtstag“, so Zens.

„Etwa die Hälfte der Bewohner bleibt über Weihnachten hier, die anderen werden von ihren Angehörigen abgeholt. Im Restaurant ist die Anzahl der Gäste ungefähr so wie an normalen Tagen, da ja viele Familien zu Besuch kommen“, weiß Zens. Die knapp zehn Gästezimmer seien seit langem ausgebucht. Zens weiß aus Gesprächen, dass viele Senioren über die Feiertage am liebsten im Haus bleiben: „Sie haben ihren Tagesrhythmus, den sie gern beibehalten, statt in den Familien das Bad mit dem Enkel zu teilen.“ Viele Bewohner übernehmen lieber die Rolle des Gastgebers, laden ihre Familien zum Menü ein.

Jakobsmuscheln, Rehkeule, Ente oder Dorade, zum Nachtisch vielleicht Lebkuchen-Panna-Cotta – da ist sicherlich für jeden Geschmack etwas dabei. „Natürlich kleiden wir uns festlich“, freut sich Bewohnerin Margaret Klare schon auf die besonderen Speisen mit begleitenden Weinen. „Schon die Adventszeit ist hier immer sehr stimmungsvoll“, sagt die 82-Jährige, die weiß, wovon sie spricht. Die promovierte Germanistin und Romanistin arbeitete früher an der Universität in Bonn. Zu 14 seien sie zu Hause gewesen. „Ich lebe schon seit 14 Jahren im Augustinum, habe nie bereut, so früh hier eingezogen zu sein. Anfangs war es besonders schön, weil wir da noch zu vier Geschwistern hier waren. Jetzt sind wir noch zu zweit“, erinnert sie sich. Margaret Klare schreibt noch heute Stücke selbst, die sie mit einem kleinen Theaterkreis auf die Bühne bringt.

Rund 180 Mitarbeiter betreuen die Senioren im Augustinum. Viele von ihnen haben auch an den Feiertagen Dienst, denn Pflege, Verwaltung, Reinigung, Küche und Service müssen ja besetzt sein.

Die Vorweihnachtszeit beginnt im Wohnstift jedes Jahr mit einem Adventsmarkt, auf dem die Bewohner Kunstgewerbe, Leckereien und Bücher kaufen und verkaufen können. „Der Erlös, zwischen 4000 und 5000 Euro, geht traditionell an die Suchthilfe direkt“, sagt der Stiftsdirektor.

Kerzenlicht im Speisesaal, Glühwein am Wochenende – in der Adventszeit mögen es die Senioren im Augustinum gemütlich. „Aber bei uns gibt es Lebkuchen und Co. tatsächlich erst ab dem ersten Advent und Weihnachtslieder werden nur zu Weihnachten gesungen. Da sind wir ganz traditionell, das wollen unsere Bewohner so“, erklärt Stiftsdirektor Stefan Zens.

Geschenke spielen für die meisten Senioren keine große Rolle. Sie freuen sich eher auf schöne Stunden im Kreise der Menschen, die ihnen wichtig sind, seien es Angehörige oder Mitbewohner. Bewohnerin Margaret Klare macht sich über Präsente nicht allzu viele Gedanken: „Die jungen Leute bekommen sowieso Geld, Kleinigkeiten können wir auf unserem Adventsmarkt erstehen.“

Am heutigen Donnerstag erleben die Senioren den Höhepunkt der Vorweihnachtszeit: ein Konzert mit dem Folkwang-Kammerorchester und ein Fest-Menü mit Hummer-Panna-Cotta, Hirschrücken und Mohnparfait. „Da nehmen eigentlich alle teil“, weiß Margaret Klare. „Wer nicht mehr im Restaurant essen kann oder will, bekommt die Speisen, soweit möglich, auch in der Wohnung serviert“, ergänzt Zens. Für Bewohner mit Demenz und ihre Angehörigen gibt es eine eigene Feier, denn schon das Konzert wäre zu lang für die Erkrankten.

Silvester begehen die Bewohner ganz entspannt. Den Gottesdienst zum Jahresabschluss gestaltet der Stiftspfarrer, ab 22 Uhr gibt es ein Buffet im Foyer, um Mitternacht wird angestoßen. „Das Feuerwerk schauen die meisten eher im Fernsehen. Sie haben im Leben schon so viele Feuerwerke gesehen, dass es nicht mehr so reizvoll ist, nach draußen zu gehen“, weiß Zens.