Essen-Rüttenscheid. . Seit Mai läuft in der Altentagesstätte der ev. Kirche ein Pilotprojekt, bei dem auch Angehörige einbezogen werden. Für sie bietet der Kurs eine Auszeit.

Hildegard, wie wir die Ehefrau von Josef hier nennen, erinnert sich noch gut daran, wie das Vergessen bei ihrem Mann langsam einsetzte. „Irgendwann fehlten ihm immer mehr Wörter, um die simpelsten Dinge zu benennen, Heizung zum Beispiel“, sagt sie. Ihr Mann ging zum Arzt, der den rätselhaften Wortverlust zunächst auf das Alter schob. Die Diagnose Demenz kam erst später. Dass es sich mit ihr als Betroffener und auch als Angehöriger leben lässt, beweisen die beiden jeden Tag aufs Neue.

Dabei helfen ihnen kleine Auszeiten, wie etwa das Pilotprojekt „Sport für Menschen mit Demenz“ des Vereins für Gesundheitssport (VGSU) in Kooperation mit der evangelischen Kirchengemeinde Rüttenscheid. Der Behinderten- und Landes-Sportverband, die paritätischen Wohlfahrtsverbände und das NRW-Gesundheitsministerium fördern diese Projekte landesweit; das Angebot in Rüttenscheid gehört stadtweit zu den Vorreitern. Wissenschaftlich begleitet wird das zunächst auf drei Jahre angelegte Projekt von der Technischen Universität Dortmund.

Ehrenamtliche begleiten den Kurs

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Im Mai ging die Gruppe an den Start, nun zogen Teilnehmer, Angehörige, Ehrenamtliche und Sporttherapeutin Petra Brodesser eine erste Bilanz. „Vor dem Kurs haben wir bei unseren regulären Sportangeboten bemerkt, dass Menschen gerade bei fortschreitender Demenz eine andere Förderung brauchen“, sagt Brodesser. Spezielle Übungen – die Uhrzeit mit dem Fuß anzeigen oder Links-Rechts-Richtungswechsel, sollen dabei Orientierungssinn und Motorik fördern. Parallel dazu kommen auch die Angehörigen in einem separaten Kurs ins Schwitzen. „Das war uns wichtig, schließlich fehlt pflegenden Angehörigen oft die Zeit, um sich zu bewegen“, sagt Irmtraud Grünheid, die das Angebot gemeinsam mit Bärbel Schulte ehrenamtlich begleitet.

Dass Sport die Demenz nicht heilt, ist allen Beteiligten klar. Dennoch nehmen viele Angehörige eine spürbare Veränderung wahr: „Donnerstags, bevor es zum Sport geht, ist mein Mann viel aufgeweckter als sonst, deckt sogar den Frühstückstisch“, sagt eine Frau. Und auch Hildegard sagt, die Bewegung helfe Josef, seine Umgebung intensiver wahrzunehmen. Dass er sich seine Lebensfreude – Josef ist stolzer Katalane – bewahrt hat, beweist der Senior auch beim Training. „Feliz Navidad“ hat er sich für die vorweihnachtliche Trainingsstunde gewünscht. Statt der vorgegebenen Übungen mimt Josef zwischendurch den Dirigenten, singt munter mit und beweist bemerkenswertes Taktgefühl. Dass er wieder vergessen hat, in welche Richtung er seinen Fuß bewegen soll, gerät da zur Nebensache.