Essen. In der ersten Folge der Serie “Eine Nacht in Rüttenscheid“ besuchen wir die Rüttenscheider Feuerwache Neun. Die Einsatzkräfte müssen an den Wochenenden häufiger Betrunkene von der Rü auflesen. Auch wenn die Feuerwehrleute nicht im Einsatz sind, kann von einem erholsamen Schlaf nicht die Rede sein.
„Psssst“, summt eine leise Stimme aus dem knackenden Lautsprecher. Wenige Sekunden später ist Feuerwehrsprecher Mike Filzen aus der vor Jahren einmal eingesprochenen Konserve zu hören, diesmal deutlich lauter. Das Licht geht an, die zuständigen Feuerwehreinheiten, der Ort und der Anlass des Einsatzes werden benannt. Bei einer Großlage würde Michael Dörr, Wach- und Zugführer der Rüttenscheider Feuerwache Neun, jetzt schon längst seine schweren Stiefel zusammenbinden.
Stattdessen nimmt er seinen Kaffee zur Hand, trinkt einen Schluck und wirkt entspannt. Probealarm, zentral gesteuert von der Hauptwache an der Eisernen Hand. Die vergangene Nacht war ruhig, „allerdings mussten die Jungs vom Rettungsdienst zwei Mal raus, um Personen aus Notlagen zu befreien. Das kann beispielsweise die gestürzte Seniorin sein, die nicht mehr aufstehen kann. An den Wochenenden sind es häufiger Betrunkene, die von der Rü aufgelesen werden“, erzählt Dörr.
Obwohl sein Löschzug nicht alarmiert wurde, kann von erholsamem Schlaf nicht die Rede sein, wie der 52-Jährige betont: „Natürlich schläft man hier nicht tief und fest und ist sofort hellwach, sobald der Lautsprecher anspringt. Den leichten Schlaf habe ich auch zu Hause.“
Für den Vater dreier Töchter ist das zeitweise Leben auf der Wache längst Routine: Seit 1982 ist Dörr im Einsatz für die Essener Berufsfeuerwehr. 24 Stunden verbringt er an der Manfredstraße, hat anschließend zwei Tage frei. „So lässt sich dieser Beruf auch mit dem Familienleben vereinbaren“, sagt Dörr. Dabei sind auch die 31 Männer seiner Schicht, die um 13 Uhr beginnt, längst eine eingeschworene Gemeinschaft.
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Am Abend wurde wie meistens zusammen in der großen Küche gekocht, Leberkäse und Kartoffelpüree kamen auf den Tisch. „Solche Aktivitäten sind wichtig für die Truppe und deren Zusammenhalt“, erklärt Dörr. Obwohl es in den vergangenen Wochen „bemerkenswert ruhig war, glücklicherweise“, wie Dörr sagt – über wenig Arbeit kann er sich nicht beschweren. Jetzt, zum Jahresende, ist der Schreibtisch sein Hauptarbeitsplatz. Jahresberichte schreiben, die Lehrgänge für seine Kollegen im kommenden Jahr organisieren, junge Feuerwehrleute auf die anstehenden Prüfungen vorbereiten. Wenn die Routinearbeiten, wie etwa Wartung der Fahrzeuge, erledigt sind, steht seiner Mannschaft die Zeit ab 17 Uhr meist zur freien Verfügung, Bereitschaftszeit heißt das bei der Berufsfeuerwehr.
Den Abend und die Nacht verbringen die Männer wie jeder andere auch. „Wir haben einen Fitnessraum, andere lesen, surfen im Internet oder sehen fern. Der Unterschied ist, dass man binnen Sekunden einsatzbereit sein muss“, sagt Dörr. Wenn er dann im großen Löschfahrzeug sitzt und den Einsatz koordiniert, ist für ihn vieles Routine, „das lernt man mit der Zeit“, sagt er. Dennoch gebe es natürlich Einsätze, die besonders nahe gehen. Wie der Fall eines Kollegen, der bei einem nächtlichen Einsatz seinen eigenen Sohn tot aus einem Auto barg. „So etwas vergisst man nicht“, sagt Dörr und hält inne. In solchen Fällen bekommen die Kollegen psychosoziale Unterstützung, „darauf kann man nicht vorbereitet werden“, sagt Dörr.
Was vielen Kollegen helfe, mit der dauernden Anspannung umzugehen, sei der Humor, der schon mit dem Weckruf beginnt. „6.30 Uhr. Es ist wie immer halb acht“, ertönt es dann in Erinnerung an den Spruch eines ehemaligen Kollegen aus den Lautsprechern. Dörr: „Und nicht wenige werden bei den Worten ,halb acht’ erst richtig wach – und dann auch richtig schnell.“
Alle Folgen der Serie "Eine Nacht in Rüttenscheid" finden Sie hier.