Essen-Überruhr. . Kevelohstraße: Stadt lässt 55 Jahre alte Bäume fällen, ohne Anwohner zu informieren. Die beklagen mangelnde Transparenz, fühlen sich außen vor.

Neun Linden hat die Stadt an der Kevelohstraße fällen lassen. Einige Anwohner ärgern sich mächtig über den Kahlschlag, besaßen die 55 Jahre alten Bäume doch ihrer Meinung nach „ortsprägenden Charakter“. Doch geradezu empört sind die Betroffenen darüber, dass sie im Vorfeld nicht über die Rodung informiert wurden.

Sonja Vogel blickt traurig auf die kahlen Baumbeete vis-à-vis ihrer Wohnung an der Kevelohstraße und kann immer noch nicht fassen, was passiert ist. „Bei Einbruch der Dunkelheit fuhren schwere Maschinen vor, und kaum zwei Stunden später waren alle Bäume verschwunden.“ Anfangs habe sie an einen Baumschnitt gedacht, „doch nie an so einen Kahlschlag“. Immerhin seien nur vier Bäume wegen Sturmschäden durch Ela gekennzeichnet gewesen.

Anwohner wurden nicht informiert

Richtig wütend sind Dietmar und Karin Kulms. Seit fast 28 Jahren wohnt das Ehepaar in der Kevelohstraße 25. Dass die vier „Ela-Bäume“ gefällt werden sollten, könne man verstehen. Aber der Rest? „Sieht so die grüne Hauptstadt Europas aus?“, fragen beide. „Für uns kommt dies einer Nacht- und Nebelaktion gleich, auf die wir nicht reagieren konnten.“ Bis heute warten die Kulms’ auf eine Information der Stadt über Sinn und Zweck der Rodung.

Und dies, obwohl sich Verwaltung und Politik seit Monaten mit dem Thema beschäftigen. Im Oktober 2016 informierte die Verwaltung die Bezirksvertretung (BV) der Ruhrhalbinsel über die Pläne am Keveloh. Schon damals zog die Bauleitung eine komplette Rodung in Betracht, auch mit dem Ziel, Fußgängern eine ausreichend große Gehwegbreite zu verschaffen. Zur Erklärung: Teile des Gehwegs liegen auf dem Gelände der Gewobau. Bei einer Anpassung an die reale Grundstückgrenze würde der Gehweg zum Teil sehr schmal, blieben die Bäume stehen.

Komplette Rodung frühzeitig in Betracht gezogen

Schon damals wies man auf Beschädigungen von Fahrbahn und Gehweg durch Baumwurzeln hin, die entfernt werden müssten, da die Straße zwischen Überruhrstraße und Mentingsbank im Rahmen des Frostschädenprogramms eine neue Deckschicht erhalten soll. Nach Beseitigung dieser Wurzeln würden die vorhandenen Bäume ihre Standfestigkeit verlieren.

Dies mündete im Januar 2017 in einer Ortsbegehung mit Politikern und einem Baumsachverständigen, der bekundete, dass von fünf der neun Bäume keine Gefahr ausgehe. Die BV sprach sich daher für eine umgehende Fällung der vier „Ela-Bäume“ aus, machte das Schicksal der verbliebenen fünf Linden von einem noch ausstehenden Sachverständigen-Regelwerk zum Thema „Straßenschäden durch Wurzeln“ abhängig.

Ortstermin mit Politikern und einem Sachverständigen

Doch schon Mitte Februar schob die Stadt weitere Informationen nach. Nach einer persönlichen Begutachtung des städtischen Baumsachverständigen Arne Thun seien zwei weitere Bäume aufgrund der Wurzelstruktur und der notwendigen Gehwegsanierung nicht mehr standsicher. Insbesondere wegen des Wunsches der Gewobau, den Gehweg grenzgenau zu verlagern, sei es laut Verwaltung opportun, alle neun Bäume zu fällen und Gehweg sowie Straße ohne Ecken und Kanten vernünftig herzurichten.

Argumente, denen sich auch SPD-Fraktionschef Rolf Reithmayer nicht verschließen mochte und daher den Dringlichkeitsentscheid unterzeichnete. „Ich habe schon damals bei der Ortsbegehung Zweifel gehabt, die Bäume stehen zu lassen, weil die Bauarbeiten deutlich teurer würden, wenn ein Teil davon stehen bliebe.“

Rodung pünktlich vor Beginn der Schonzeit

Was Reithmayer nicht wusste: Eine Forderung der Gewobau hat es so nie gegeben. Wie Jörg Altenbeck, Leiter der Abteilung Modernisierung und Instandhaltung der Gewobau, bestätigt, habe man bei der Stadt, als die wegen der Baumfällung auf die Wohnungsgenossenschaft zukam, nur nachgefragt, wie es um die Verkehrssicherungspflicht bestellt sei, sollte auf dem Gehweg jemand zu Schaden kommen. „Doch eine Antwort steht bis heute aus“, so Altenbeck. Die Stadt indes fällte alle Bäume. Pünktlich vor dem 1. März, dem Beginn der Schonzeit, in der Fällungen nur mit Ausnahmen möglich sind.