Essen-Rüttenscheid. Für das St. Martin-Seniorenheim in Essen-Rüttenscheid gilt ein striktes Besuchsverbot. Pflegekräfte sind gefordert, die Lage zu erklären.

Die Seniorin hatte sich auf den Besuch der Tochter gefreut. Als ihr Pfleger Jan Dalüge bei der Morgenwäsche berichtete, dass das nicht möglich sei, zeigte sich die ältere Frau zunächst enttäuscht, sagt der 33-Jährige. Doch dann habe er sich Zeit genommen und erklärt, dass zum Schutz der Heimbewohner im St. Martin-Seniorenzentrum derzeit alle Besuche untersagt sind. „Da war dann doch Verständnis zu spüren“. Gespräche wie diese führe er in diesen Tagen zuhauf, sagt der Pfleger, der sich ebenso wie das gesamte Personal darum bemüht, „so viel Normalität wie eben möglich zu bewahren“.

Pflegekräfte in Essen-Rüttenscheid erklären Hygienevorschriften

Dabei kommen auf die Mitarbeiter ganz neue Herausforderungen zu. Wurde Hygiene schon immer groß geschrieben, „sind wir nun besonders sensibilisiert“, erklärt Heike Gauer von der Pflegebereichsleitung. Beim Kontakt mit den Bewohnern sei der Mundschutz inzwischen Standard. Mitunter schauen Senioren ganz erschrocken, wenn sie die Pflegekräfte sehen und meinen, sie selbst hätten eine ansteckende Krankheit. „Wir erklären dann natürlich, was es mit der Schutzmaßnahme auf sich hat“, so die 55-Jährige. Solche Momente bieten oftmals aber auch Anlass, über grundlegende Hygieneregeln zu sprechen, ergänzt die Pflegerin. Vor allem gehe man darauf ein, dass das Händewaschen mindestens 30 Sekunden dauern solle.

Ausnahmen im Fall von Palliativpatienten

Eine Ausnahmesituation ergab sich auch für die Berichterstattung über die Lage im St. Martin-Seniorenzentrum. Das Interview erfolgte per Telefon, Fotos in der Einrichtung und mit den Gesprächspartnern waren nicht möglich.

Besuchsverbote gelten auch für das 184 Plätze umfassende DRK-Seniorenzentrum an der Henri-Dunant-Straße in Rüttenscheid. Bei Palliativpatienten mache man allerdings eine Ausnahme, berichtet Sprecherin Nicole Pfeifer, wobei die Einrichtung darauf achte, dass alle erforderlichen Hygienevorschriften eingehalten werden.

Ausnahmen vom Verbot wird es auch, falls dringender Bedarf bestehe, im St. Martin-Heim geben, so Heike Gauer. Wenn beispielsweise Demenzkranke auf den persönlichen Kontakt zu engsten Angehörigen angewiesen seien, werde man dafür eine Lösung finden.

Erklären und Vermitteln gehören seit dem vergangenen Freitag, als der NRW-Ministerpräsident den Heimen nahelegte, Besuchsverbote auszusprechen, zur Daueraufgabe der Mitarbeiter. „Wir haben auch alle Angehörigen angerufen, um ihnen die besondere Lage zu erklären“, berichtet Gauer. Die Familien hätten aber Einsicht gezeigt, dass sie vorerst Aufenthalte im Seniorenheim aus dem Terminkalender streichen müssen. Es bleibe natürlich immer die Möglichkeit, die Verwandten anzurufen. Falls sie kein eigenes Handy oder Festnetztelefon haben, dann „sind auf allen Stationen mehrere Mobiltelefone vorhanden, mit denen die Bewohner erreicht werden können“.

„Schleuse“ für die Abgabe von Präsenten

Das Seniorenzentrum St. Martin  in Rüttenscheid.
Das Seniorenzentrum St. Martin in Rüttenscheid. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Da die Besuche auch gern dazu dienen um Oma, Opa, Vater oder Mutter Süßigkeiten, Obst oder Getränke mitzubringen, „gehörte zu den häufigsten Fragen, wie das Heim es denn mit der Annahme von solchen kleineren oder größeren Geschenken halte“, berichtet Pfleger Jan Dalüge. Seit dem Wochenende gelte „Schleusenregelung“. Besucher können die Ware in einer Box mitbringen. Die wird vor dem Gebäude abgegeben und die Mitarbeiterin am Empfang leite die Präsente weiter und desinfizieren vorher Deckel und Seitenwände. Auch wenn das Prozedere recht umständlich sei, habe man keine andere Wahl. Den zusätzlichen Aufwand nehmen die Familien aber offensichtlich gern in Kauf, denn es würden reichlich Lebensmittel geliefert. Ein Verwandter hatten offensichtlich große Bedenken, es könne im Heim an Joghurt mangeln und gab gleich 15 Becher mit.

Senioren verzichten auf Geburtstagsfeiern

Senioren, die eigentlich ihre Einkäufe selbst erledigen, müssen derzeit darauf verzichten. „Wir können zwar niemanden zwingen, legen aber allen Bewohnern nahe, in der Einrichtung zu bleiben“, sagt Heike Gauer. Die Bewohner würden meist sehr gelassen reagieren. Schwer falle es, sich an das Gebot zu halten, wenn in der Familie oder im Freundeskreis eine Feier anstehe.

Das Personal wiederum versuche mit ein wenig Humor und guter Laune auf die Stimmung im Heim einzuwirken, betonen Gauer und Dalüge einmütig. Spontane Ideen seien auch immer wieder gern genommen. Da werde mal gemeinsam ein Lied angestimmt oder man finde sich zum Gesellschaftsspiel ein.

„Natürlich sprechen wir von einer Momentaufnahme“, sagen die beiden Pflegekräfte. Wie sich das Zusammensein verändere, wenn das Besuchsverbot über Wochen bleibe, da wollen sie momentan noch keine Prognose wagen. „Derzeit haben wir noch das Glück, dass wir gutes Wetter haben und die Bewohner zumindest im Innenhof an frischer Luft sein können“.