Essen-Südviertel. Am Robert-Schuman-Berufskolleg in Essen-Südviertel haben sich Lehrer aus vier EU-Länder getroffen, um gemeinsam Lern-Apps zu entwickeln.

Die Treppengeländer im Robert-Schuman-Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung an der Sachsenstraße 27 waren mit Girlanden geschmückt. Die vielen blauen Fähnchen mit den goldenen Sternen verkündeten, dass die Schule hohen Besuch erwartete. In der Bildungseinrichtung für Schüler zwischen 16 und 50 Jahren, seit 2007 eine von elf zertifizierten Essener Europaschulen, waren fünf Tage lang Pädagogen aus Österreich, Ungarn und Rumänien zu Gast. Mit den deutschen Kollegen arbeiteten sie an einem von der EU geförderten „Erasmus+“-Projekt.

Gemeinsames Treffen im Essener Berufskolleg

„Duden“ heißt der Titel des Projektes, zu dem Schulleiter Thomas Haep und Lehrerin Melanie Röhs vom Berufskolleg die zehn ausländischen Gäste begrüßten. Doch mit Rechtschreibung hat das Ganze nichts zu tun. Die Großbuchstaben stehen für „digitale Unterrichtsmaterialien für digital European Natives.“ Lehrer und Schüler der vier Schulen in Deutschland, Österreich, Ungarn und Rumänien entwickeln gemeinsam über zwei Jahre hinweg Lern-Apps im Rahmen von „Erasmus+“. Die Programme stellen sie bei gemeinsamen Treffen in den beteiligten Ländern vor. Da nicht alle Pädagogen im Erstellen der Apps versiert sind, finden entsprechende Fortbildungen statt.

Bis Ende 2021 sollen die beteiligten Schulen aus den vier europäischen Ländern, aber auch andere Bildungseinrichtungen, die digitalen Lernmöglichkeiten verwenden können. Die EU fördert das Medienvorhaben mit rund 120.000 Euro. „Das ist ein spannendes Projekt, das vom Austausch untereinander lebt“, findet Haep. Bei gegenseitigen Besuchen lerne man sich besser kennen und gewinne interessante Einblicke in die Gesellschaft und Kultur der beteiligten EU-Länder.

Draculas Vampirschloss lockt in Siebenbürgen

Robert Schuman stand für ein gemeinsames Europa

Seit 2007 ist das Robert-Schuman-Berufskolleg zertifizierte Europaschule mit erweitertem Fremdsprachenangebot. Schüler des Bildungsgangs „Kaufmännische Assistenten für Fremdsprachen“ haben zum einen das Fach Englisch, zum anderen können sie bei der zweiten verpflichtenden Fremdsprache zwischen Spanisch und Französisch wählen. Im Differenzierungsbereich wird Niederländisch angeboten.

Die rund 1700 Schüler im Alter von 16 bis 50 Jahren besuchen die Bildungseinrichtung an der Sachsenstraße 27. Das Berufskolleg pflegt viele Kontakte und Partnerschaften mit Schulen in Europa, unter anderem mit Irland, Spanien, Frankreich, Ungarn und den Niederlanden. Der Name geht auf Robert Schuman (1886-1963) zurück, der als Visionär für die europäische Integration gilt. „Wir verbinden keine Staaten, sondern Menschen“, sagte Schumann am 9. Mai 1950 in seiner Europa-Rede in Paris.

Wer kennt schon Siebenbürgen? „Da fallen den meisten hier nur die Dracula-Filme ein“, weiß er und lacht. Das „Vampir“-Schloss Bran hat er bei einem Besuch dort auch besichtigt – „durchaus ein touristisches Highlight“ – aber Transsylvanien, wie diese Region im Zentrum Rumäniens auch heißt, biete natürlich weitaus mehr. Bekannt für mittelalterliche Städte, bergige Grenzgebiete und barocke Gebäude bietet sie seit 1918, nach der Niederlage Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg, vielen Deutschen eine Heimat. Seit dem zwölften Jahrhundert sind die Siebenbürger Sachsen im heutigen Rumänien ansässig. Rund 50.000 Deutsche leben in dem EU-Staat.

Deutsch ist die Projektsprache. An ihrem mit viel moderner Technik ausgestatteten Gymnasium in Odorheiu Secuiesc, einer 34.000-Einwohner-Stadt in Siebenbürgen, die bis heute auch „Hofmarkt“ genannt wird, unterrichtet Gyongyi Sandor Deutsch als Fremdsprache. „Wir haben in allen Klassenräumen Beamer und Whiteboards, die Kinder nutzen gern ihre Handys zum Lernen.“ Die 46-Jährige war 2010 ein Jahr Gastlehrerin in Bocholt. Ihre Muttersprache sei Ungarisch, erzählt sie. Keine Seltenheit in Rumänien: Rund zehn Prozent der Bevölkerung gehören zur ungarischen Minderheit. Nun hatte die Pädagogin Gelegenheit, Essen kennenzulernen. Denn neben oder nach der zunächst theoretischen Arbeit am EU-Projekt unternahm das europäische Lehrer-Team kleinere Ausflüge und Besichtigungen. Vom Abendessen in der „Borbecker Dampfe“ bis zum Parkleuchten in der Gruga reicht das Programm.

Wiener Modeschule erstellt Lern-Apps für Englisch und Ethik

Yella Hassel und Kevin Knabe waren aus Wien für fünf Tage nach Essen gereist. Sie arbeiten für die Modeschule im historischen Ambiente von Schloss Hetzendorf. Sie bietet eine exklusive Modeausbildung an, beispielsweise „lernt man bei uns noch, wie man Lederschuhe von Hand fertigt“, sagt Hassel. Auch Modeentwurf, Mediendesign, Zeichnen und Textilkunde werden unterrichtet. Es stehen aber auch klassische Fächer stehen auf dem Stundenplan. Im Rahmen von „Duden“ wollen die beiden Lehrkräfte Apps für die Fächer Englisch und Ethik erstellen, die alle Partnerschulen nutzen sollen.

Austausch und Schülerfreundschaften

Erste Ergebnisse des Projektes liegen vor. Im April geht es weiter, diesmal mit den Schülern. Sechs Jugendliche der Höheren Handelsschule am Berufskolleg an der Sachsenstraße reisen nach Ungarn. In der Stadt Györ treffen sie Gleichaltrige, mit denen sie an den Unterrichts-Apps arbeiten. „Wir hoffen, dass sich auf diese Weise auch Freundschaften unter den Schülern bilden“, sagt Schulleiter Haep. Und dann könnte der Projektname für „ Du und dein europäischer Nachbar“ stehen.