Essen-Rüttenscheid. Die Stadt hat Bürgern die Pläne zur Umwandlung der Rüttenscheider Straße in eine Fahrradstraße vorgestellt. Das Projekt wirft viele Fragen auf.
Die Umwandlung der Rüttenscheider Straße in eine Fahrradstraße führte in den vergangenen Wochen schon zu erheblichen Kontroversen. Nun hatten Bürger während eines Forums im Ratssaal die Gelegenheit, mit den verantwortlichen Planern über Fragen und Bedenken zu sprechen. Dabei stießen die Konzepte auf ein durchaus geteiltes Echo.
Aufstellflächen für Radfahrer auf der Rüttenscheider Straße in Essen
Der von der Stadt beauftragte Planer Philipp Ambrosius skizzierte zunächst einige Grundregeln einer solchen Radtrasse, zu denen die Vorfahrt für Radler in Kreuzungsbereichen oder auch der Vorrang im Straßenverkehr gehören. Tempo 30 gelte bereits jetzt auf der Rü. Was denn trotz aller Vorrechte für die Sicherheit der Radfahrer getan werde, wollte Julia Klewin, Vorsitzende der Rüttenscheider SPD, wissen.
Zunächst einmal sei auf beiden Seiten ein 50 Zentimeter breiter Abstand zu den Parkplätzen am Straßenrand vorgesehen, um Kollisionen mit den Autos zu vermeiden, erklärte Ambrosius. Zudem würden Piktogramme auf dem Asphalt die Rü als Fahrradstraße kennzeichnen. Damit signalisiere man dem Autofahrer, dass sein Fahrzeug eben nur eines der möglichen Verkehrsmittel sei. Auf weitere Nachfragen, ob denn auch eine Familie mit Kindern per Rad die Rü benutzen könne, hieß es von Simone Raskob, Umwelt- und Planungsdezernentin, dass beispielsweise für Autofahrer das Gebot bestehe, im fließenden Verkehr hinter eine Gruppe von Radfahrern bleiben zu müssen. An Ampeln sollen Aufstellflächen für Radfahrer markiert werden. Um diese aber auch erreichen zu können, falls mehrere Autos vor einer Ampel stehen, würden so genannte Vorbeifahrstreifen für die Radler geschaffen.
Anreize für Bürger zum Umstieg auf das Rad
Im Zuge der Umwandlung der Rü würden nach Angaben von Planer Ambrosius 13 Parkplätze wegfallen. Man bemühe sich um eine möglichst geringe Reduzierung. Zudem sollen auch einige, wenige Bäume gefällt werden.
Welcher Nutzwert es denn für die Schadstoffminderung habe, wenn der Verkehr lediglich von der Rü auf andere Straßen verlagert werde, wollte eine Bürgerin wissen.
Nach Darstellung Raskob lässt sich die Umwidmung der Rü nicht mit Schadstoffmengen messen. Es komme vielmehr darauf an, ein Angebot zum Umsteigen auf umweltfreundliche Varianten zu unterbreiten.
Die Verwaltung bereitet derzeit Vorlagen für die politischen Gremien vor, die voraussichtlich im März über die Rü-Pläne beraten.
Dezernentin Simone Raskob ordnete das Rü-Projekt in den Gesamtzusammenhang für die Stadtentwicklung ein. Es gehöre zum Model-Split-Programm, mit dem der Anteil des Radverkehrs gesteigert werden solle. Ferner gehöre es zu den umweltpolitischen Vorhaben, um Fahrverbote für Essen zu vermeiden.
Kurze Grünphasen für Fußgänger
Anwohner aus Rüttenscheid äußerten ihre Skepsis, ob denn auch an die Fußgänger gedacht worden sei. Sowohl Ambrosius als auch Andreas Demny, stellvertretender Fachbereichsleiter des Amtes Straßen und Verkehr, erklärten, dass es unter anderem bei der Anzahl der Überwege und Querungshilfen bleibe. Die Kritik an den kurzen Ampelgrünphasen für Fußgänger im Bereich Martinstraße sei durchaus bekannt, erklärte Demny. Man bewege sich aber noch immer in einer zulässigen zeitlichen Taktung. Man habe es aber an dieser Stelle mit einem hohen Verkehrsaufkommen zu tun und wolle erreichen, dass der Verkehr zügig abfließe.
Ob denn überhaupt die Rüttenscheider Straße als Radtrasse angebracht sei oder sich doch besser die Paulinenstraße eigne, wollte Apotheker Herbert Bas wissen. Diese Variante habe man auch durchaus geprüft, so Ambrosius. Aber eines die entscheidenden Argumente für die Rü seien nun mal, dass sie im Radwegenetz als eine der Hauptstrecken eingeordnet sei und bereits jetzt Radfahrer 25 Prozent und mehr Anteil am Verkehrsaufkommen haben.
Gründe für geplante Abbiegezwänge
Das Stichwort Verkehrsaufkommen bot für den Planer den Anlass, die vorgesehenen Abbiegezwänge an der Martinstraße und dem Rüttenscheider Stern zu begründen. Nach den Verkehrszählungen mache der Durchgangsverkehr 50 Prozent am Gesamtaufkommen aus. Das bedeutet nach Aussagen des Planers: Die entsprechenden Autofahrer wollen eigentlich nicht zur Rü, sondern steuern andere Ziele an. Doch dann könnten sie doch andere Wege nutzen als die ohnehin schon stark belastete Rü.
Rolf Krane, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Rüttenscheid (IGR), wandte allerdings ein, dass die Händler und Gastronomen enorme Umsatzeinbußen befürchten. Mehr noch. Sie würden um ihre wirtschaftliche Existenz fürchten. Denn die Erreichbarkeit der Geschäfte auf dem Abschnitt werde nun mal erheblich eingeschränkt, auch wenn die Rü noch über Nebenstraßen angesteuert werden könne. Auch für ältere Menschen, die auf das Auto angewiesen seien, werde es schwieriger, die Einkäufe zu erledigen oder zum Arzt zu gelangen. Demny entgegnete, die Stadt stehe in engen Kontakt mit der Industrie- und Handelskammer und werde sich auch weiter beraten lassen.
Kontrollen auf der Rü vorgesehen
Ob und wie denn die Stadt den Abbiegezwang kontrollieren werde, wollten Bürger wissen. Da sich nun mal alle Autofahrer, einschließlich der Lieferanten, an das Gebot zu halten haben, sei eine solche Kontrolle recht simpel, so Demny. „Denn die Stellen dürfen dann nur noch Radfahrer und Linienbusse“ passieren. Das Konzept der Abbiegezwänge geht aber einigen Bürgern noch nicht weit genug, wie sie es bei dem Forum zur Sprache brachten. Mehrfach kam, auch von Vertretern der Fahrradverbände, der Vorschlag auf, die Rü in eine Einbahnstraße plus Radweg in beide Richtungen umzuwandeln. Doch dafür sei die Straße nun mal nicht breit genug, erwiderten die Planer. Die Idee, die Rü in eine Fußgängerzone umzuwandeln, habe man bislang nicht geprüft, hieß es von Seiten der Verwaltung, wohl auch, weil es gegen den Charakter des Einkaufsviertels spreche.