Kupferdreh. . Die Bürgerschaft Kupferdreh bat um kürzere Wege für den Wähler. Doch die Stadt fand keine Alternativen. Prof. Gramke, Vorsitzender des vereinsinternen Kuratoriums: „Recherche lässt zu wünschen übrig“

Es war im Juni, als Essens Oberbürgermeister Reinhard Paß Post von der Bürgerschaft Kupferdreh erhielt. In einem offenen Brief baten Bürgerschaftsvorsitzender Wolfgang Rüskamp und Prof. Jürgen Gramke, Vorsitzender des vereinsinternen Kuratoriums, darum, bei der künftigen Auswahl von Wahllokalen doch mehr Sorgfalt walten zu lassen. Besonders seien dabei große Entfernungen für die Wähler zu vermeiden.

Preute-Saal mit neuem Pächter

Noch unter dem Eindruck der schwachen Bürgerbeteiligung bei der Kommunalwahl erklärten beide damals sinngemäß: Im Falle des Neubaugebiets Dilldorfer Höhe habe der über sechs Kilometer lange Weg zum Wahllokal Kraftwerkstraße (Hin- und Rückweg) viele Wahlwillige von der Stimmabgabe abgehalten. Für alle, die kein Auto hätten, sei die Strecke unzumutbar.

Die Reaktion vom Amt für Statistik ließ auf sich warten. Umso verwunderter zeigte sich nun Prof. Gramke über die Antwort der Verwaltung. Man habe verschiedene Lokalitäten geprüft, von denen letztlich nur die zuletzt genutzte Kraftwerkerschule in Frage kam, heißt es da. Nach „intensiver Recherche“ habe man erfahren, dass beispielsweise die ehemalige Gaststätte Preute an der Deilbachbrücke nicht mehr in Betrieb sei.

„Die Recherche ließ wohl keine Rückfrage bei der Bürgerschaft zu“, moniert Gramke. „Wir hätten leicht Kontakte vermitteln können, um den Saal als Wahllokal nutzen zu können. Schließlich ist es unserem Engagement zu verdanken, dass der „Preute-Saal“ heute wieder für Veranstaltungen jeglicher Art genutzt wird.“ Der Jugendstilsaal befindet sich in Privatbesitz, wird aber munter vermietet. Nicht nur an die Bürgerschaft, sondern auch an die Kupferdreher Karnevalisten und zuletzt an den CDU-Ortsverband, der dort den Tag der Deutschen Einheit feierte.

Wie unsere Zeitung auf Nachfrage erfuhr, ist der Preute-Saal seit einer Woche verpachtet. Der Hattinger Gastronom Michael Benke richtet dort aktuell seine „Markthalle“ ein, um diese künftig als Event-Location zu vermieten. „Einer Nutzung als Wahllokal steht von meiner Seite aus nichts im Wege“, erklärt er. Seine Erfahrungen mit dem Eigentümer ließen ihn kaum daran zweifeln, dass dies auch zu Zeiten der Kommunalwahl möglich gewesen sei.

Auch an der Überprüfung der vom Amt präsentierten zweiten Alternative, das Gemeindehaus der Gemeinde Sankt Mariä Geburt am Rathgeberhof, übt Gramke Kritik. „Eine schriftliche Anfrage beim zuständigen Förderverein sei unbeantwortet geblieben. Doch ob da noch einmal nachgehakt wurde, sagt das Amt nicht.“ Die Bürgerschaft bietet daher an, sich an der Suche nach geeigneten Wahllokalen zu beteiligen. Gramke: „Auch die erwähnten Standorte sollten, wie jede neue Alternative, noch einmal sensibel geprüft werden.“

Kommentar: Signal für mehr Bürgernähe

Die Kommunalwahl vom Mai dieses Jahres ist noch immer in schlechter Erinnerung. Nicht einmal jeder zweite Essener fand den Weg zur Wahlurne. Eine Wahlbeteiligung von 45,2 Prozent bedeutete ein historisches Tief.

Politikverdrossenheit durch bis zur Unkenntlichkeit nivellierte Parteiprogramme halten da gerne als Erklärungsansatz her. Und auch für das in Essen extreme Süd-Nord-Gefälle dürften Demografen eine passende Antwort parat haben.

Doch manche Probleme sind schlicht hausgemacht: Wenn ein Dilldorfer aus dem tiefsten Süden der Stadt mehr als sechs Kilometer bis zum nächsten Wahllokal zurücklegen muss, trägt dies sicher nicht zur Motivation des Volkssouveräns bei. Gerade für ältere Menschen, die oft kein Auto besitzen, kommt eine solche Distanz einer halben Tagesreise gleich.

Eine sorgfältige Auswahl der Wahlorte ist daher nicht nur wünschenswert, sondern sogar zwingend angezeigt, will man nicht schon bei der Oberbürgermeisterwahl im September 2015 einen neuen Quotenflop erleben.

Ob mit einer höheren Wahlbeteiligung auch eine bessere Politik einhergeht, sei dahingestellt. Die Entscheidung, ob und wo der Wähler sein Kreuzchen macht, liegt letztendlich bei ihm selbst. Das Wahllokal in der Nachbarschaft zu suchen, wäre ein klares Signal für mehr Bürgernähe – und dafür, dass jede Stimme zählt.