Essen-Kray. . Nach 113 Jahren an der Krayer Straße 158 schließt an diesem Samstag die alteingesessene Maßschneiderei „Moden Althaus“, und für Marianne (78) und Friedrich Wilhelm Althaus (81), die das Geschäft 1963 vom Vater übernahmen, endet ein ganz langes Berufsleben.
„Waren das noch Zeiten.“ Marianne und Friedrich Wilhelm Althaus erinnern sich, als wäre es gestern gewesen, oder zumindest vorgestern. Die 1950er und 60er Jahre, da machten Anbieter wie „Moden Althaus“ gute Umsätze, da hatte Handwerk wie die Maßschneiderei noch Konjunktur. Lange her und vorbei und neben einer fehlenden Nachfolge wohl genau der Grund, warum das rührige Ehepaar sein Geschäft an der Krayer Straße 158 am Samstag, 5. Juli, schließt – nach 113 Jahren und für immer.
Ein Anzug, 40 Arbeitsstunden
„Mit Ihnen verschwindet wieder ein Stück Kray“, brachte es eine Stammkundin so passend auf den Punkt. Längst hat die Mode von der Stange der einstigen Maßanfertigung den Rang abgelaufen. Dass Kleidung unter teilweise katastrophalen Bedingungen genäht wird, selbst von Kindern und anderen „armen Teufeln“, ist dem Verbraucher meist egal. Hauptsache: billig.
„Ich brauche für einen Maßanzug 40 Stunden“, verdeutlicht Althaus, der vor 60 Jahren als junger Kerl seine Prüfung zum Herrenscheidermeister ablegte. Dass man den nicht für ein paar Euro bekommt, da beißt auch die Maus den Faden nicht ab. „Früher, da gab es allein in Kray, wo’s damals noch richtig schön war, 30 selbstständige Schneider, da ließen die Leute noch fertigen.“ Irgendwann jedoch waren selbst diejenigen, die sich das leisten konnten, die gut Betuchten also, auch nicht mehr bereit, bis zu vierstellige Summen für feinen Zwirn zu berappen.
Der Anfang vom Ende, und so sattelten auch die Althaus’ um, verkauften Konfektion, schneiderten aber kaum noch. Jetzt ist die Luft raus. Mit 81 und 78 und der Goldhochzeit sehr nachvollziehbar.
Wie es weitergeht an der Krayer Straße 158 – niemand weiß es. Nebenan gibt’s bereits Leerstände, „aber es gibt auch Interessenten“. Die bezahlte Ware, das Inventar, die Tuchbestände oder die Tretnähmaschinen von Pfaff oder Singer: Alles muss raus, so ist das nun mal.
Was Marianne und ihr Friedrich Wilhelm aber nie hergeben würden, sind die alten Erinnerungen. Fotos von Großvater Hermann Althaus etwa, der vis-à-vis 1901 anfing, bevor 1928 der Umzug zur anderen Straßenseite ins neue Haus anstand und irgendwann Hermann Althaus jun. übernahm. Die alten Meisterbriefe, die so schön abgegriffene Registrierkasse, die Knopflochseide oder erst recht die Originalrechnungen aus dem Jahre 1903. Vieles, das nichts von seinem Charme verloren hat. Wie Marianne und Friedrich Wilhelm Althaus übrigens auch.