Essen-Südostviertel. . Ein von der Stadt beauftragtes Gutachten erscheint Ende nächster Woche. Danach soll in einer Bürgerversammlung der Druck erhöht werden. Mittendrin: Elisabeth Scholten-Bachstroem, deren Schmuckgeschäft in diesen Tagen 85 Jahre alt wird.
Wie die Zeiten sich doch ändern. Jahre gab’s, Jahrzehnte sogar, da war das Teilstück der Steeler Straße im Schatten des Wasserturms eine bei den Kunden äußerst beliebte Einkaufsmeile. Die Stichstraßen funktionieren zwar auch weiterhin, an der „Steeler“ selbst aber sind die ganz fetten Jahre lange vorbei.
Einige alteingesessene Kaufleute halten zwar seit Jahr und Tag die Stellung und strampeln sich ab, viele inhabergeführte Geschäfte jedoch haben irgendwann zu- und danach nie wieder aufgemacht. Stattdessen gibt’s Leerstände, auch Ein-Euro-Läden und andere „Billigheimer“, Pommes- und Dönerbuden, die aber natürlich alle ihre Berechtigung haben, weil es sich halt nicht jeder leisten kann oder will, vergleichsweise viel für so genannte Markenware auszugeben.
Grund genug aber für die Werbegemeinschaft „Wir am Wasserturm“, sich schon länger ernsthafte Gedanken über die Zukunft und einen möglichen Umbau der Steeler Straße genau in ihrem Sprengel zu machen. „Seit gut zwei Jahren arbeiten wir an einem Konzept, die Straße vor Ort sichtbar aufzuwerten“, sagt Dr. Jan Olgemöller, Inhaber der „Wasserturm-Apotheke“ und Sprecher der Werbegemeinschaft. Konkrete Lösungen sind zwar noch nicht in Sicht, gleichwohl scheinen sich aktuell aber erste Fortschritte abzuzeichnen. Olgemöller gespannt: „Ende der nächsten Woche wird ein Gutachten veröffentlicht, das die Stadt in Auftrag gegeben hat und das sich unter anderem mit der aktuellen Verkehrssituation vor Ort befasst hat.“
Eine echte Blechlawine. Mit rund 20 000 Fahrzeugen, die sich laut repräsentativen Zählungen Werktag für Werktag auf dem Weg zur A 40 oder von der Autobahn kommend über die Steeler Straße und vorbei am Wasserturm wälzen, ist es aktuell mehr als unübersichtlich. Nicht von ungefähr zählt genau diese Ecke des Südostviertels zu einem der Unfallschwerpunkte der Stadt, und auch die Parksituation ist vor allem für die Kaufmannschaft mehr als unbefriedigend.
Eine, die seit Jahrzehnten vor Ort ist, ist Elisabeth Scholten-Bachstroem. 1929 gründete ihr Vater Theo Scholten noch an der Kölner Straße ein Schmuck- und Uhrengeschäft, zehn Jahre später aber riss der Krieg auch ihn aus allen privaten und beruflichen Träumen.
Veränderte Kaufgewohnheiten
Zum Glück kehrte Scholten halbwegs unversehrt zurück und konnte nach Jahren der Improvisation sein Geschäft zu neuem Leben erwecken. Bis 1968 an der Friedrich-Ebert-Straße, seitdem aber ist „Schmuck Scholten“ ohne Unterbrechung an der Steeler Straße 171 zu finden. Tochter Elisabeth hatte schon früh Spaß an Vaters Arbeit gefunden, und als der alte Herr kürzer treten musste, da übernahm sie 1973 Geschäft und Verantwortung.
Heute, mit 73, ist sie immer noch von Montag bis Freitag in ihrem Laden, ein Überfall Weihnachten 2011 und auch die völlig veränderten Kaufgewohnheiten der Menschen und auch ihrer Kundschaft aber haben sie nachdenklich gemacht. „Der Goldpreis ist enorm hoch, viele Menschen kaufen lieber Billigware. Es wird viel weggeworfen, nur noch wenig repariert.“ Doch „Fräulein Scholten“, wie sie einst die feinen Damen nannten, die sich edle Ringe oder Geschmeide einpacken ließen, ist eine Kämpferin. Mit Uhrmacher Norbert Hagemann steht sie unter der Woche von 9 bis 13 Uhr im Geschäft („volle Tage lohnen sich längst nicht mehr“), derweil Pudelmischling „Felix“ in der Ecke liegt und abwechselnd schnarcht und aufpasst.
Ab morgen gewährt Elisabeth Scholten-Bachstroem der Kundschaft für eine Zeit übrigens 30% Nachlass auf alles, was man bei ihr kaufen kann. „Mein Geschäft wird schließlich nur einmal 85.“
Was in dem Gutachten steht, das mitunter Ende nächster Woche veröffentlicht wird, ist noch nicht bekannt. Gleichwohl setzen Apotheker Jan Olgemöller und seine Mitstreiter von der Werbegemeinschaft schon heute große Hoffnungen in die Erhebungen. „Wir brauchen das Gutachten, um unsere Pläne weiter voranzutreiben.“ Ein ganz entscheidender Punkt ist die Verkehrsbelastung mit der Schallgrenze „1800 Autos pro Stunde“. Davon hängt ab, ob und wenn wie etwa Parkbuchten angelegt werden können. In einer Bürgerversammlung kurz nach Veröffentlichung des Gutachtens – der genaue Termin steht noch nicht fest – wollen Werbegemeinschaft und Bezirksvertretung weiter Druck aufbauen, damit die Pläne alsbald auch im Bauausschuss landen.