Burgaltendorf. . Fragt man die Burgaltendorfer und Rewe-Kunden, dann ist der Anbau des Vollsortimenters „architektonisches Ärgernis“ und „notwendiges Übel“ zugleich: Ästhetik gegen gute Nahversorgung
Der Umbau der Rewe-Filiale an der Dumberger Straße in Burgaltendorf bleibt in aller Munde. Besonders der Beton-Anbau entlang der Straße erregt und spaltet die Gemüter. Tenor der Diskussion: Ästhetischer Fauxpas oder notwendige Erweiterung der Nahversorgung – das ist hier die Frage.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten. Dies wussten schon die alten Römer. Die Burgaltendorfer tun es dennoch: „Architektonischer Moloch“ oder einfach nur „hässlicher Betonklotz“ – dies sind noch die harmlosesten Umschreibungen, die den Burgaltendorfern einfallen, wenn es um die Mauer entlang der Straße „Alte Hauptstraße“ geht. „Ich empfinde das Bauwerk als eher störend“, sagt Verena Scherff. Einmal in der Woche besucht die Hattingerin aus beruflichen Gründen Burgaltendorf. „Da war ich schon ziemlich überrascht, als da plötzlich diese Mauer stand.“ Dass mit dem Anbau auch eine Angebotserweiterung des Vollsortimenters einhergeht, begrüßt sie dennoch: „Meine Cousinen und Tanten kaufen hier oft und gerne ein. Von daher stört mich die Expansion hier nicht. Und man weiß ja nicht genau, wie es aussieht, wenn die Fassade fertig ist.“
Das lokale Angebot will auch Heinrich Birkenstock nicht missen. In Heisingen geboren, siedelte er schon vor 30 Jahren nach Burgaltendorf über: „Ich wohne hier ganz in der Nähe und finde den Rewe-Standort daher optimal. Hier können meine Frau und ich auch noch in 20 Jahren mit dem Rollator bequem einkaufen gehen.“ Eine gute Nahversorgung ist ihm wichtig, „und der Aldi doch ein ganzes Stück weit weg“, wie er sagt. Den hätte man allerdings anders, sprich besser, hinbekommen können.
Aus Byfang kommt Birgit Ciesielski zum Einkaufen. Sie sieht das Ganze eher pragmatisch und freut sich darüber, dass künftig mehr Platz in der Rewe-Filiale ist: „Ich habe die Tage mit einer Angestellten gesprochen. Die sagte, man wolle nun die Getränkeabteilung verlegen. Das finde ich prima, denn zuletzt bin ich da gar nicht erst mit dem Einkaufswagen reingefahren, weil es so eng ist in den Gängen.“
Ob die Mauer nun den Blick auf die Burg verstellt oder einfach nur unattraktiv ist, spielt für Ronald Gersberg keine Rolle: „Wäre ich ein Burgaltendorfer, dann würde ich mich darüber aufregen“, redet er Tacheles. Nun kommt Gersberg jedoch aus Niederwenigern, weshalb ihm die Einkaufsoption mehr am Herzen liegt: „Mit dem Angebot hier vor Ort bin ich zufrieden. Wenn es jetzt sogar noch besser werden sollte, habe ich nichts dagegen.“
Auch Peter Kroll weiß als Stammkunde, was er am Vollsortimenter hat. Vor zwei Jahren habe er noch in Bochum-Linden gewohnt, „doch hier ist das Angebot deutlich besser“, sagt er. Schon deshalb sieht er die Sache eher entspannt: „Die Planung für den Anbau kannte ich bislang nur aus der Zeitung. Ob der nun im Weg steht und die Burg verdeckt? Okay, aber dann kann man ja einfach ein paar Meter weiterfahren, dann sieht man die Ruine auch gleich wieder.“
„Gute Nahversorgung ist wichtig“
Wenn jemand Anstoß daran nehmen könnte, dass der Rewe-Anbau den Blick auf die Burg verstellt, dann wäre dies wohl am ehesten der Heimat- und Burgverein als erklärter „Hüter“ der traditionsträchtigen Ruine. Dass der HBV dies nicht tut, hat Gründe – und die sind, wie Vereinssprecher Rolf Siepmann sagt, „sogar historisch belegt“.
Siepmann erinnert daran, dass die besagte Straßenecke schon seit 1866 bebaut gewesen sei. Dort stand der Gasthof „Haus Königsgrätz“ – später Nieding und Winkelhaus – mit Festsaal, der bis zum Abriss im Jahr 2005 als Verkaufs- und Lagergebäude der Firma Textil-Hegler genutzt wurde.“ Wollte man freie Sicht auf die Burg haben, „müssten wir auch wollen, dass die hohen Bäume davor gefällt werden“, schlussfolgert Siepmann. Doch das würde wahrscheinlich ähnliche Konsequenzen nach sich ziehen wie der „Efeu-Krieg“, der 1962 um den grünen Bewuchs der Burgruine entbrannte.
Siepmann: „Auf die Frage, ob einem der Rewe-Anbau gefällt, mag jeder seine persönliche Antwort haben. Wichtig für Burgaltendorf aber ist, dass wir mit Aldi im Oberdorf und mit Rewe im Unterdorf Magneten für eine bequeme Nahversorgung haben, die zudem die anliegenden Geschäfte beleben. Unbestreitbar problematisch sei die sich zunehmend verschärfende Parkplatznot im ganzen Dorf. „Doch die gab es schon vor dem Rewe-Anbau.“
Stabile planungsrechtliche Basis
Als die Design-Studie für den „Rewe-Anbau“ in Burgaltendorf Mitte vergangenen Jahres vorgestellt wurden, da war das Projekt planungstechnisch bereits „abgesegnet“. Die Entscheidung darüber hat sich das Amt für Stadtplanung und Bauordnung nicht leicht gemacht.
„Es hat im Vorfeld mehr als nur eine Ortsbegehung gegeben“, erklärt Detlef Robrecht, Leiter der städtischen Bauaufsicht. So habe man sich intensiv Gedanken darüber gemacht, ob die Planung – so wie sie vom beauftragten Architektenbüro Koschany + Zimmer erarbeitet wurde – mit dem Umfeld korrespondiert und vereinbar sei. „Auch die Denkmalbehörde hat nach Prüfung eine Stellungnahme abgegeben und ihre Zustimmung erteilt“, so Robrecht.
Generell seien die Planungsbehörden nicht dazu da, Projekte auszubremsen, sondern sorgsam zu prüfen, ob sich diese im rechtlichen Rahmen bewegen. „Dazu gehört auch, ob sich Vorhaben wie diese mit dem städtischen Einzelhandelskonzept vereinbaren lassen. Demzufolge versucht die Stadt verstärkt, Handel in den Zentren zu etablieren, um so eine gute Nahversorgung zu erreichen, nachdem jahrelang Discounter und Vollsortimenter ihre Filialen auf der „grünen Wiese“ errichteten.
Die Einflussnahme auf die Standortentscheidung der Unternehmen sei jedoch beschränkt. „Da können wir als Stadt nur Anreize schaffen“, sagt Robrecht. „Alles andere wird durch den Wettbewerb auf dem Markt gesteuert.“