Essen-Steele. . Der Dachverband der Essener Kleingärtner wird 95, der Vorsitzende Heinz Schuster feierte 80. Geburtstag. Nach dem Krieg linderte der Ertrag der Parzellen den Hunger. Beim Festakt im Steeler Vereinsheim gab es neben Erinnerungen auch Kritik an der Stadt.

Jubiläumsflut bei den Essener Kleingärtnern: 95 Jahre Dachverband Essen, 30 Jahre Bundeskleingartengesetz und die Verbands-Zeitung „Der Grüne Bote“ hat auch schon zwei Dekaden auf dem Buckel. Dementsprechend groß war der Rummel im Vereinsheim an der Schnütgenstraße.

Beim Festakt tauschten Gastgeber und Gäste aus Politik und den Kleingärtner-Verbänden der Nachbarstädte – auch aus Bochum, Herne, Gelsenkirchen, Dortmund und Düsseldorf – erfreuliche und weniger gute Nachrichten aus. „Über 30 Jahre habe ich einen Kleingarten und finde es wichtig, dass der Dachverband uns gegenüber der Stadt vertritt“, resümiert Dieter Cuvelier, Mitglied des KGV Am Revierpark. Der Verkauf von Grundstücken, Kommunalabgaben, Straßenreinigungsgebühren und die Erhöhung der Pacht hätten zu vielen Leerständen geführt. „Dabei sorgen wir Kleingärtner doch für den Grüngürtel in der Stadt“, betont er.

Das sieht Dachverband-Vorsitzender Heinz Schuster ähnlich: „Wir können nicht zufrieden sein“, fühlt sich Schuster von Stadt und Politik „respektlos“, behandelt. So habe der rücksichtslose Verkauf von Grundstücken dazu geführt, dass Kleingärtner um ihre Gärten fürchten müssten. In anderen Städten habe man Parzellen für Kleingärtner gekauft, sagt er, in Essen sei dies nicht der Fall gewesen. „Dabei wollen wir nicht das Geld der Stadt, sondern eher moralische Unterstützung. Politik für den ‚kleinen Mann‘ eben“, beteuert Schuster und verweist auf die eigens gegründete „Essener Kleingartengrund und –boden GmbH“, deren Kapital die „Laubenpieper“ selbst erbrachten, um Gartenland als Gemeinschaftseigentum kaufen zu können.

Insgesamt 2150 Gärten, also jeder vierte, ist im Besitz der Kleingärtner – auf 504 545 Quadratmetern Gesamtfläche. Sie alle leisten einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Sah das Bundeskleingartengesetz vor, dass nur eine einfache Laube ohne Abwasserentsorgung errichtet werden darf, schuf der Dachverband das „Essener Modell“. Jede Kleingartenanlage beantragte fortan einen Hausanschluss, der in einem Sammler mündet, zu dem die einzelnen Kleingärtner ihr Abwasser bringen können – ein indirekter Anschluss an die Kanalisation. „Das Großprojekt war wichtig“, so Schuster. „Und hat die öffentliche Hand nichts gekostet.“

An solche Aktionen war bei Gründung des Dachverbandes vor 95 Jahren noch nicht zu denken. Er entstand aus der Not heraus, die Hungersnot nach dem Ersten Weltkrieg zu lindern. Die Mitte der 1920er Jahre herrschende Arbeitslosigkeit führte gar dazu, dass so mancher Kleingärtner nicht nur von dem lebte, was sein Grundstück hergab, sondern auch dort wohnte.

Allein in Essen gab es während der Weimarer Republik 25 000 Kleingartenparzellen. Nach dem Krieg wuchs die Zahl der Kleingärten an, weil die Hungersnot gelindert und Ausweichquartiere her mussten. Dennoch wichen viele Grundstücke dem Wohnungs- und Straßenbau beim Wiederaufbau; die Stadt Essen baute aber neue Anlagen, so dass es 8000 bis 9000 Parzellen gab.

Nach 1980 „verlor die Gemeinde direkt die Lust am Kleingartenwesen und der Verband musste sich verselbstständigen, um durch ehrenamtliche Eigenleistung für die Stadt Essen erhalten zu bleiben“, heißt es in der Chronik des Dachverbands.