Kupferdreh. .

Wenn ein Eismacher den Vornamen Jesus trägt, dann sind himmlische Genüsse zu erwarten. Nicht nur Stammkunden des Eiscafés Plückthun adeln die süßen Leckereien des Traditionshauses an der Byfanger Straße 2 als wahrhaft „göttlich“, wenn der zarte Schmelz auf der Zunge zergeht . Eigentlich wollte Meister Estrany-Flors schon längst in Rente gehen, doch noch immer schaut der Spanier einmal pro Woche nach dem Rechten; den Rest übernimmt Christian Brücker. Der entdeckte seine heiße Liebe zum Speiseeis jedoch erst auf den zweiten Blick.

Arbeitslosigkeit

Vor zwei Jahren zog es Christian Brücker in die Kälte des „Eislabors“ im hinteren Teil des Cafés, wo rund 80 verschiedene Eissorten produziert werden. Für den heute 48-Jährigen war es eine echte Umstellung, war er doch früher in einem völlig anderen Metier beschäftigt: „Jahre lang habe ich als Industrie-Lackierer gearbeitet, doch als ich meinen Job verlor, musste eine Alternative her“, sagt Brücker. Da kam ihm die Offerte von Eiscafé-Inhaber Friedrich Dirks gerade recht, der eine Hilfe auf 400-Euro-Basis suchte.

Ungewohnt sind auch die Arbeitszeiten, denn Eismacher sind Frühaufsteher. Und so beginnt Brückers Dienst schon um 4.30 Uhr in aller Herrgottsfrühe. Da versteht sein Lehrherr Jesus keinen Spaß. „Es heißt also zeitig raus aus den Federn, zumal ich mit dem Fahrrad von Langenberg zur Arbeit fahre“. Dieses Fitnesstraining kommt Brücker allerdings gelegen, denn Eismachen ist – so paradox dies klingen mag – kein Zuckerschlecken. „Anfangs habe ich mit einem großen Löffel nur das fertige Eis aus der Maschine geholt“, sagt er. „Doch das sieht leichter aus, als es ist und geht mächtig in die Arme.“

Erfahrungssache

Senior Estrany-Flors schmunzelt, fühlt er sich doch an den eigenen Werdegang erinnert. 1959 war er nach Essen gekommen, hatten er und seine Eltern dem heimatlichen Ebro-Delta den Rücken gekehrt. „Eigentlich wollte ich damals nur ordentlich Deutsch lernen, weil ich Dolmetscher werden wollte“, sagt er. Doch irgendwie kam alles ganz anders. Mittlerweile kreiert er seit mehr als einem Vierteljahrhundert Speiseeis im Hause Plückthun. Und sein Chef Friedrich Dirks, ein Kaufmann, der das Eismachen selbst gelernt hat, ist froh, den Routinier immer noch in seinen Reihen zu wissen. Denn: „Gutes Eis machen ist eine Sache der Erfahrung“, wie Dirks betont.

Milch, Zucker und Sahne

Von dieser Erfahrung profitiert auch Christian Bücker, der an der Seite seines Lehrmeisters stets auf der Suche nach neuen Geschmacksrichtungen ist. Zwar mag die Basis der Schlemmerei immer dieselbe sein, doch erst die richtige Kombination der Komponenten führt zum wahren Genuss. „Das deutsche Eis ist im Vergleich zu dem der Italiener gehaltvoller“, plaudert Senior Estrany-Flors ein wenig aus der Laborküche. Milch, Zucker und Sahne – daraus wird die Grundmasse hergestellt, die im Pasteurisator kreisend keimfrei gerührt wird und dabei von 96 Grad Celsius („Es darf nicht kochen“) flugs auf 8 Grad abgekühlt wird. Erst in der Eismaschine kommen Geschmackspasten hinzu („Immer alles frisch“), wobei Fruchteis mit einem Anteil Wasser versetzt wird.

Bereits nach einer Viertelstunde kann Christian Brücker die erste Edelstahlbox befüllen, die direkt vorne am Verkaufstresen landet. Damit das Eis attraktiv aussieht, wird es gekämmt und erhält so eine adrette Oberfläche. „Die Italiener hingegen benutzen kleinere Eiscontainer und schichten dafür höher in Wellen“, sagt Brücker. „Da gibt es Leute, die machen den ganzen Tag nichts anderes.“ Produziert wird nach Bedarf und Nachfrage. „Wir wissen aus Erfahrung, welche Sorten gerade am besten laufen“, sagt Jesus Estrany-Flors.

Er selbst hat schon einige Geschmacksrichtungen kreiert. Die Kombination „Mandel-Honig-Nuss“ ist zum niederknien lecker und fand deshalb dauerhaft den Platz auf die Eiskarte. „Mir ist aus Versehen einmal Pfirsichpaste in das Ananas-Eis geraten“, schmunzelt Brücker, „das hat zwar auch ganz gut geschmeckt, doch lief nur eine Saison lang.“

Mittlerweile ist Brücker zur vollen Kraft aufgestiegen. Für ihn ging damit ein Traum in Erfüllung. „Eismachen ist nicht irgendein Job für mich“, schwärmt er. „Ich liebe meine Arbeit, auch, weil sie mich ein wenig an meine Kindheit erinnert. Damals, als die Glocke bimmelte und der Eiswagen durch unsere Siedlung fuhr.“ In Italien ist die Kunst der der Eisherstellung längst ein Lehrberuf. Auch in Deutschland wird daran gearbeitet. Momentan gibt es nur eine Eismacherschule in Werl. Noch einmal in die Lehre gehen wird Christian Brücker jedoch nicht mehr, denn bis „italienische Verhältnisse“ in Deutschland einziehen, hat ihm Senior Estrany-Flors längst alle seine Tricks und Kniffe beigebracht.

Das Eiscafé Plückthun ist ein Dauerbrenner. Seit 1972 gibt es die Eisdiele; seit vier Jahren hat Friedrich Dirks das Geschäft übernommen. „Wir machen nur einmal Urlaub“, sagt Friedrich Dirks. „Vom 1. Dezember-Sonntag bis zum 1. Sonntag im Januar“.

Im Winter wechselt die Eiskarte und es werden besondere, saisonale Eissorten geschlemmt: mit Zimt- oder Spekulatiusgeschmack. Aber es geht noch exotischer: „In Japan haben sie schon mal Leberwurst-Eis vorgestellt“, schmunzelt Dirks.